Konstantin Wecker über homöopathische Touren
Der Schatten seiner selbst hat sich zurück in das bayrische Kraftpaket verwandelt: Konstantin Wecker über falsch gestellte Weichen und homöopathische Touren.
Der ärgerliche Verkehrsunfall hatte alle Züge einer griechischen Tragödie: Maßlosigkeit und innere Buße, Konflikt mit der Staatsgewalt und öffentlicher Kniefall – bis hin zur Katharsis und Läuterung des gefallenen Helden. Und gleichzeitig war es das perfekte Futter für den bunten „Büd“-Boulevard: griffige Schablonen für die anästhesierte Masse, die emotionale Extreme nur noch aus der Zeitung kennt. Herr rücker, wissen Sie zufällig, nie es Ihrem Leidensgenossen Handdjuhnke im Moment geht? Ich habe von einer Bekannten erfahren, daß es wieder aufwärts geht, daß er auch wieder Theater spielen wird. Aber wenn’s ihm schlecht geht, kommt man nicht an ihn ran. Man liest ja viel in der Zeitung… Ja, aber mein Gott, das hab ich ja am eigenen Leib erfahren, was da alles Falsches steht. Ich streiche von diesen Horrorgeschichten immer automatisch mal die Hälfte ab. Ekelt Sie diese öffentlichmachung? Ich bin da jetzt zum ersten Mal reingerasselt: Die ganzen 20 Jahre meiner Berufslaufbahn bin ich von dieser Art von Presse verschont geblieben – habe mich aber auch ihrer nie bedient Beim Harald heißt es ja, daß er „Bild“ gleich anruft, wenn es ihm besser geht, und das hab ich nie gemacht und werd ich nie tun. Aber übel war’s schon, wie giftige Kommentare über die Fakten gestreut wurden. Wir leben in einer so zynischen Zeit, wo ja nicht mal der Tagesschausprecher sich eines Kommentars endiält. Und so unangenehm ist daran, daß man das Gefühl bekommt, da ist ein Alleswisser, der von einer höheren Warte… Eigentlich doch die klassische Liedermacher-Tradition… Es ist eine Liedermacher-Tradition, aber nicht meine. In meinen „politischen“ Liedern wird mit anderen Mitteln erschüttert. (Weckers Frau und Hund Max betreten die Suite, Max beschnüffelt den Reporter.)]^, Max, der ist neu, den mußt Du „ne halbe Stunde begrüßen, ja jetzt ist gut, nimmst Du ihn mal rüber, Schatzl? Es gab ein ganz paar Lieder, wo ich… Maxi komm, jetzt geh mal zum Fraule, so, hehe, also Lieder, wo ich bewußt ideologisch vorgegangen bin. Aber das war nicht der Normalfall. Machte Sie aber zum Hausschreiber der Studienräte jeden Alters. Nicht nur. Ich bin von denen auch furchtbar attackiert worden, weil ich mit so genußvollen Liedern wie „Genug ist nicht genug“ gekommen bin. Trotzdem galten sie den meisten ab K>rzeige-Sänger, mit der einen oder anderen Macke vielleicht, deshalb abeY auch so sympathisch und menschlich und lalalala. Die haben mich doch behandelt wie einen Werbeschreiber: ,Schreib mal was über Nicaragua, dann darüber‘. Ich hab ja gegen diese Gruppen heißeste Kämpfe geführt, weil die mich vereinnahmen wollten. Sie aber waren es auch, der mit am SPD-Parteilied geschrieben hat… Und das war’s dann mit Politik? Meine schreiberische Arbeit hat nicht mit Politik zu tun, sondern mit Goethe, mit Rilke. Für mich war Trakl so gigantisch, daß ich mit 14 Jahren, seinen Band unterm Arm, von zu Hause abgehauen bin, weil ich halt Dichter werden wollte. Dann habe ich mich in Rilke verliebt und ihm nachgeeifert, dann Benn… War die Liebe zu Benn und Trakl auch Motivation für die „grenzüberschreitenden Sinneserfahrungen“? Stimmt Das hat mich wahnsinnig interessiert, ich bin ganz bewußt dahineingeraten. Ich bin ja erst mit 30 auf diese „grenzüberschreitenden Sinneserfahrungen“ gestoßen, (lacht) Das ist schön ausgedrückt, das werd ich mir merken. Hätten Sie rückblickend lieber auf die Drogen ganz verzichtet? Nein, ich habe es eben nur übertrieben. Das haben die Drogen nun mal so an sich. Ich kenn andere, die es nicht übertrieben haben. Und die sind auch nicht verhaftet worden, muß ich dazu sagen. Ich bin jetzt in der fatalen Situation, daß ich im Herbst einen Prozeß zu führen habe. Fühlen Sie sich denn dem Gesetze nach schuldig? Nein. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß das meine private Sache war und daß man eigentlich nicht für so was angeklagt werden sollte – aber das nimmt ja keiner ernst Also, ich kämpfe weiterhin für die Entkriminalisierung von Süchtigen, da werde ich nicht zum Schleimer, das ist meine feste Überzeugung. Ich bin sehr für bewußtseinserweiternde Drogen, aber nur, wenn man sie rituell einnimmt und sich darauf vorbereiten kann, nicht wie ich zum Schluß, wo ich es nur noch in mich hineingestopft habe. Ansonsten aber bleib ich dabei, daß es jedem Menschen gut täte, mal auf LSD gewesen zu sein., damit man sieht, daß es außerhalb der eigenen Wirklichkeit noch andere Wirklichkeiten gibt Haben Sie Rudolf Scharping mal in einem wie auch immer gearteten Rauschzustand erlebt? Im Rausch nicht Der trinkt ganz gerne mal Wein. Aber gesittet. Die SPD-Leute sind ja Wein trinker, und da hab ich noch keinen richtig prall erlebt Obwohl man sagen muß, daß die viel vertragen (lacht). Oscar Lafontaine kann man sich auch besser an Ihrer Seite vorstellen. Das ist so, wie wenn die Leute sagen: Ah, jetzt hat er sich ’ne junge Frau gesucht. So war das ja nicht. Ich habe eine Frau getroffen, in die ich mich verliebt habe – und die zufallig jung war; die hätte auch älter sein können. Und beim Scharping war es so, daß ich ihn nach einem Konzert kennengelernt habe und wir uns prächtigst verstanden. Ist der auch mal richtig lustig? Ja, sehr. Der Rudolf ist lustig, der hat sehr viel Sinn für Kultur, was sonst nicht so rauskommt. Ich habe lang mit ihm über Literatur gesprochen, er kennt sich in der Musik sehr gut aus, in der klassischen auch. Sicher unterscheidet er sich in vielem von mir, ich bin viel exzessiver. So exzessiv, daß Sie sich in der Jugend in Alpen-Saftpornos tummelten. Naja. Heute müßte das schon ein guter Porno sein, damit ich mitmaehe – ich würde keine schlechten Filme mehr drehen. Ich brauchte damals einfach das Geld. Ist Ihnen das heute peinlich? Nein. Es ist mir unangenehm, das anzuschauen, weil die Filme so übel sind, aber… Wovon handelten diese Filme? von Titten. Dann irgendeine Story drumrum, um noch mehr Titten und wackelnde Arsche zu zeigen. Klingt gut. Aber wenn du am laufenden Band so tust als ob, und dann doch nicht tust, dann wirst du übersättigt von lauter Busen und Fleisch, und da habe ich wirklich Sorge gehabt um meine Geschmacklichkeit auf diesem Gebiet – und irgendwie auch um meine Potenz. Aber Spaß hat das doch bestimmt auch gemacht, oder nicht? Ich wurde von meinen Freunden um diesen tollen Job beneidet: Ein paar hundert Mark am Tag und ein Haufen Mädels, das war natürlich wunderschön damals. Es war ein Austoben, zu dem ich total stehe. Für Ihren Ruf war das nicht so gut. Es hat mir den Ruf des Machos eingebracht Ich bin sicher oftmals einem Konsumrausch erlegen in punkto Sexualität; das Angebot besteht ja in diesem Beruf. Den Eindruck hatte ich nach Lektüre Ihres Buches “ Uferlos“auch. Ich bin oft angefeindet worden für die Stelle in dem Buch, die mit der Gräfin auf dem Klo, das ist eine lustige Stelle, und jede feministische Frau dürfte so was schreiben, nur ich nicht Jeder hat das schon mal getan, oder träumt davon, auf dem Klo zu vögeln, und es ist witzig und gut beschrieben. Also naaa. Nennt man so was Unterhaltung? Ja, es geht gar nicht anders. Es ist auch eine wichtige Szene, um in das Ganze einzuführen. Ich kann diese Kokserei nicht beschreiben, wenn ich dxt Sexualität ausklammere. Das spielt eine gigantische Rolle bei dieser Droge. Das wird mir jeder bestätigen, der damit zu tun hatte. Ist Rock’n’Roll heute ein Musikstil oder eine Lebensform? Eine Lebensform – als Musikstil kenne ich ihn eigentlich schon kaum mehr. Es gibt da so einen, auf den wird in Wettbewerben getanzt Beim Liedermacher Wecker war auf Tournee zeitweise garantiert mehr Rock’n’Roll angesagt als bei sämtlichen Popgruppen, da hat’s wirklich gekracht Und damit ist jetzt Schluß, jetzt wird also nur noch strikt homöopathisch getourt? Da gibt es klare Verträge. Wir werden angesichts des bevorstehenden Prozesses bestimmt zwei, drei Durchsuchungen haben auf der Tour. Wenn jemand trotz Verbotes Drogen nehmen will, soll er das machen, aber nicht bei mir. Ich will mich auch persönlich nicht gefährden: Ich habe es übertrieben und war kurz vor dem Tod. Und ich habe ziemliche Lust weiterzuleben. Auch, immer noch weiter zu touren? Klar, und außerdem muß ich arbeiten. Rock’n’Roll heißt auch, daß man sein Geld nicht bei sich hält. Daß es in diesem Geschäft Leute gibt, die sehr clever sind im Geldwegnehmen, im Großzügigkeit ausnutzen, und die Drogen selbst kosten natürlich auch Geld – ich habe mißgewirtschaftet Ihre Frau ist Anfang 20 und großer Hacker-Fan – Sie haben sich nach einem Konzert kennengelernt. Ihr ist es noch egaler als mir, wie sie gesehen wird. Solch eine Gleichgültigkeit habe ich noch nie erlebt Und was hat sie mit ihren ganzen alten Wecker-Platten gemacht? Hahaha, die sind immer noch im Kinderzimmer bei ihren Eltern. Im Kinderzimmer? Ja, wie man das so sagt. Im Jugendzimmer. Jugendzimmer, gut, stimmt.