Der Samurai: Zum Tod des großartigen Schauspielers Alain Delon

Er war ein Mann des alten Kinos, ein Darsteller der stoischen Männer. Und er verlor nie, nie wirklich.

Von Alain Delon gibt es Standfotos, die wie gemalt wirken: Der jugendliche Segler in „Nur die Sonne war Zeuge“. Der Boxer in „Rocco und seine Brüder“. Der Tänzer in „Der Leopard“. Der Sterbende in „Schlacht um Algier“. Der Liebende in „Der Swimmingpool“. Aber vor allem sehen wir ihn als Auftragsmörder Jeff Costello in Jean-Pierre Melvilles marmornem Meisterwerk „Le Samourai“ von 1967: „Ich verliere nie, nie wirklich.“

Alain Delon kam am 8. November 1935 in dem Pariser Vorort Sceaux zur Welt. Die Eltern, in schwierigen Verhältnissen, gaben ihn als Mündel zu Pflegeeltern. Mit 14 verließ er die Schule, arbeitete beim Stiefvater in der Werkstatt und ging 1950 zur Marine. Er kämpfte in Indochina. 1954 zurück in Paris, arbeitete er in den berühmten Markthallen und finanzierte so sein Schauspielstudium. Seine erste Filmrolle hat er 1957 in „Killer lassen bitten“, einem zeittypischen Gangsterfilm, wie sie auch Melville drehte. In seinem dritten Film, dem Melodram „Christine“ (1958), spielt er neben Romy Schneider, mit der er bis 1964 liiert ist. Noch spät bezeichnete er sie als die große Liebe seines Lebens.

Alain Delon

1959 spielte Delon in „Nur die Sonne war Zeuge“ nach Patricia Highsmith den Hochstapler Tom Ripley, der seinen reichen Gönner ermordet. Luchino Visconti engagierte ihn 1960 für „Rocco und seine Brüder“, Michelangelo Antonioni für „L‘Eclisse“ (1962), und 1963 agierte Delon neben Burt Lancaster in Viscontis „Der Leopard“. In dem Weltkriegsspektakel „Brennt Paris?“ hat Delon 1965 eine kleine Rolle als Widerstandskämpfer.

Jean-Pierre Melville, der für zwei Filme Jean-Paul Belmondo besetzt hatte, holte Alain Delon für „Le Samurai“. In diesem Film hat er nur wenige Sätze zu sprechen, ist aber fast immer auf der Leinwand zu sehen: im hellen Trenchcoat, in seinem kargen Zimmer, auf der Flucht. Es ist die romantische Apotheose des Gangsterfilms schlechthin, und Alain Delon ist ihr Gesicht.

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Noch zwei Filme drehte der kauzige Mann mit dem Cowboyhut mit dem Mann mit dem Pokerface: „Vier im roten Kreis“ (1970) und „Un Flic“ (1972). Nach dem letzten melancholischen Polizeifilm starb Melville. Es gibt ein Interview, in dem Delon erschüttert sagt: „Er ist nicht tot. Ich sehe es nicht ein.“

Die letzte Einstellung von „Un Flic“ – Delon sitzt am Steuer eines Autos und fährt von Catherine Deneuve weg – hat Quentin Tarantino am Ende von „Jackie Brown“, nun: zitiert.

1969 spielte Delon neben Jean Gabin in dem sehr beliebten „Der Clan der Sizilianer“ – und noch einmal mit Romy Schneider in dem Thriller „Der Swimmingpool“; die Affäre lebte noch einmal auf. Delon war seit 1964 mit Nathalie verheiratet, eine Weile aber mit der Sängerin Nico liiert. Nico gab Delon später als Vater ihres Sohnes an, was der bestritt. Er überwarf sich mit seiner Mutter, die den Jungen zu sich holte.

1973 spielte Delon abermals mit Burt Lancaster in Michael Winners „Scorpio“. Er ist fantastisch in Joseph Loseys „Monsieur Klein“ (1975). Er ist ganz schlecht als Flugkapitän in „Airport 80“.

Im Jahr 2019 wurde ihm bei den Filmfestspielen in Cannes der Preis für sein Lebenswerk überreicht. Viel, viel zu spät

1990 adelte ihn Jean-Luc Godard mit der Hauptrolle in „Nouvelle Vague“, seinem letzten, raunenden, flüsternden Großwerk. Alain Delon hatte mit der Nouvelle Vague nichts zu tun.

Er war ein Mann des alten Kinos, ein Darsteller der stoischen Männer. Noch in zwei späten französischen Miniserien spielt er einen elegischen, bitteren Einzelkämpfer. Alain Delon hatte etwas radikale Ansichten, sympathisierte mit Nicolas Sarkozy, hortete Waffen auf seinem Anwesen und meldete sich noch in hohem Alter zu Wort.

Im Jahr 2019 wurde ihm bei den Filmfestspielen in Cannes der Preis für sein Lebenswerk überreicht. Viel, viel zu spät.

Gestern ist Alain Delon, der Samurai, im Alter von 88 Jahren in seinem Haus in Douchy gestorben.

Evening Standard Getty Images
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