Der Rap-Rock’n’Roll-Crossover spricht mit begrenztem Musik-Vokabular vor allem Fans an: neue Platten von den Guano Apes und Such A Surge

Viele arbeiten im akademischen Underground an Dissertationen über Gitarrenpop aus Hamburg, sogar der volkstümliche Schlager wurde in langen Abhandlungen gewürdigt („Was treibt Kaffeekränzchen-Besucher dazu, singende Skilehrer mit BHs zu bewerfen?“) – vom so genannten deutschen „Crossover“ wird nichts dergleichen bleiben. Deutscher Crossover hat eine Traditionsgeschichte (die Skate-Punk-Platten der Suicidal Tendencies, den Funk-Metal der Red Hot Chili Peppers, von Living Colour und Faith No More, alle aus den USA), ganz oder fast vergessene alte Helden (Monkeys With Tools, Mr. Ed Jumps The Gun, Freaky Fukin Weirdoz). Das Credo und die Ansätze eines musikalischen Netzwerks erschöpfen sich in seltener werdenden Disco-Themenabenden und der suggestiv betitelten „Crossing All Over“-Compilation-Reihe der Firma BMG, deren jüngere Folgen vor allem völlig unüberkreuzten Nu Metal highlighten.

Es scheint, als ob es kaum ein anderes Genre gibt, für das sich außer den erklärten Fans so wenig Leute interessieren. Kaum ein anderes Genre, dessen Vokabular so begrenzt ist Nur so als Beispiel: „Man war jetzt lange weg vom Markt, man möchte jetzt erst mal wieder mit ’ner schönen, heißen, geilen Nummer rauskommen. Einfach sagen: ‚Hallo, hier sind wir!‘, und das kann man schlecht mit ’ner Ballade“, sagt Guano Apes-Schlagzeuger Dennis Poschwatta in einem Video-Interview zur Single „You Can’t Stop Me“, der ersten eigenen Veröffentlichung seit dem Nummereins-Album „Don’t Give Me Names“ von 2000. Die Promotion der dritten Apes Platte „Walking On A Thin Line“ erklärt dann auchrührend bemüht- mit dem Argument, dass die musikalischen Mittel der Band doch mittlerweile zu differenziert seien, die Zuordnung zum Crossover-Bereich für ungerecht.

Der Drummer spricht freilich mehr Wahrheit. Wenn Sängerin Sandra Nasic schon im zweiten Titel des Albums „Dick!“ brüllt und man ihr stark schwingendes Schlundzäpfchen zu sehen glaubt (es ist übrigens der komplette Refrain), weiß man, dass dies immer noch das Territorium ist, wo es nur Brett oder Ballade gibt, wo die Kreuzung zwischen Rap und Rock’n’Roll nie eine zärtliche Zeugung, sondern immer ein Streit war, den der Rock früh für sich entschieden hat. Wieder: eine Platte für Fans. Keiner weiß, wieviele das noch sind.

Bands scheint es im Zielfeld jedenfalls noch genug zu geben. Als Universal vor einem Jahr die Intemet-Talent-Plattform „A Jugend“ launchte, entdeckte der als Talentscout beauftragte Wolfgang Stach (Crossover-Spezialist, Produzent für Guano Apes, Such A Surge) einen Haufen angeblich Brauchbares-Kollege Mathias Arfmann (Patrice, Absolute Beginner) dagegen erkannte in gleicher Funktion nur Schrott.

Stach, der auf der Apes-Platte erstmals keinen Credit hat, ist auch bei „Rotlicht“ von den Braunschweigern Such A Surge nur an zwei Songs beteiligt Im „Vergleich hat die Band in ihren zehnjahren immerhin eine gewisse musikalische Offenheit gezeigt und sich (mit wechselndem Erfolg) das Problem nicht erspart, deutsch zu texten – trotzdem ist man erstaunlich realistisch: „Wir haben einen Hügel aufgeschüttet, sitzen da oben und sehen, wie die Trends auf- und untergehen“, sagt Bassist Axel Hörn. Wird natürlich viel geschrien und geholzt auf Rotlicht“, aber wenn Crossover sein muss, dann lieber mit ein wenig Fantasie.

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