Der Patriot
von Roland Emmerich ab 3. August
Seine erste Schlacht hat Roland Emmerich bereits verloren. Beim Kinostart am „4th of July“, dem Datum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, unterlag sein Historienepos „Der Patriot“ überraschend klar dem Hochsee-Actionfilm „Der Sturm“ von Wolfgang Petersen mit 35 zu 64 Millionen Dollar Umsatz in fünf Tagen.
Wegen des verlängerten Wochenendes ist der Nationalfeiertag ein begehrtes Sprungbrett für potenzielle Blockbuster. Und Emmerich scheint seit „Independence Day“ diesen Termin persönlich okkupiert zu haben. Auch diesmal lag es nahe, seine breit angelegte Geschichtsstunde über Freiheit, Tapferkeit und Familiensinn während des Revolutionskrieges 1776 an jenem Tag zu beginnen. Als sich das Columbia-Studio jedoch entschieden hatte, harrte dort schon trotzig „Der Sturm“. Die Presse stilisierte die Situation zu einem Duell der Deutschen hoch. Dabei vermieden Petersen und Emmerich nicht nur aus Respekt füreinander jede Provokation des Konkurrenten. Weil keine Seite wich, da es als Schwäche ausgelegt werden könnte, wollte auch niemand nervös erscheinen. Denn jedem war klar, dass ein Sieg beim Start dem eigenen Film einen unbezahlbaren Ruf der Unschlagbarkeit geben würde.
So ähnelte die Taktik der Filmverleiher der von zwei Armeen des 18. Jahrhunderts, die sich auf einem Feld starr gegenüber stehen. Wegen Hauptdarsteller Mel Gibson und der allgemeinen patriotischen Grundstimmung an jenem Festtag galt Emmerich leicht als Favorit. Hinterher hätten die Patrioten dann noch mal über einen Dialog in ihrem Film nachdenken können. „Stolz ist eine Schwäche“, sagt darin der von Gibson dargestellte Kriegsheld Benjamin Martin, als er einen Plan gegen die überlegenen Engländer ausheckt. „Mir wäre Dummheit eigentlich lieber“, antwortet ein Begleiter. Martins Blick schweift in die Feme: „Stolz wird reichen.“
Das Drehbuch stammt von Robert Rodat, der auch die Vorlage für Steven Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ geliefert hat. Aber seine Ehrbietung an einen aufrechten Offizier, der mit einigen Soldaten hinter den feindlichen Linien einen jungen GI retten soll, konnte man getrost vergessen. Denn das einzig Aufrüttelnde an diesem vermeintlich kritischen Kriegsfilm, die Landung in der Normandie in der ersten halben Stunde, ist allein durchs visuelle Sperrfeuer ein Schreckensszenario und wird nur mit ein, zwei Zeilen im Manuskript gestanden haben. In „Der Patriot“ ist es nun Martin, der eine Miliz im Feindesgebiet befehligt – um im Notfall seinem idealistischen Sohn Gabriel helfen zu können.
Auch Emmerich bemüht sich dabei, dem Kinozuschauer möglichst schonungslos die Willkür des Krieges zu zeigen. Eine Wirkung wie bei Spielberg erreicht er in 159 Minuten allerdings nur einmal.
Als Martin in den Wäldern South Carolinas den gefangenen Gabriel (Heath Ledger) befreien will, drückt er seinen beiden kleinsten Söhnen je eine Flinte in die Hand. „Wisst ihr noch, was ich euch erklärt habe?“, fragt er. „Kimme, Korn – immer nach vorn“, stottern die Knaben im Chor. Die verzweifelte Intimität in den Augen der drei gibt dem spielerischen Reim eine enorme seelische Grausamkeit. Ansonsten schreckt Emmerich vor keinem platten Motiv zurück, um Idylle oder eben Brutalität zu illustrieren. Anfangs gleitet die Kamera über saftige Wiesen und blühende Kornfelder. Im von mildem Sonnenlicht durchfluteten Herrenhaus backt eine dickliche Schwarze ein Brot und schreinert Martin einen Schaukelstuhl. Das heimelige Möbelstück zerbricht unter seinem Gewicht und soll andeuten, wie sehr der siebenfache Vater und Witwer um seinen inneren Frieden ringt. Seit dem Feldzug gegen Indianer und Franzosen gilt er als Held. Er selbst empfindet seine im Blutrausch verübten Taten als Sünde, für die er mal werde büßen müssen. Ein von Gabriel sehnsüchtig erwarteter Postreiter und die Zinnsoldaten seines jüngeren Bruders Thomas (Gregory Smith) weisen dann auf das Unheil hin. Aus Sorge um seine Familie weigert Martin sich, in der Bürgerversammlung für einen Krieg gegen England zu stimmen.
Gabriel schließt sich gegen den Willen seines Vaters der Rebellenarmee an, seine Verlobte ruft in der Kirche mit einer flammenden Ansprache zögerliche Männer zu den Waffen. Mit der Religion, der Familie und der Hoffnung auf eine pflichtbewusste junge Generation sind hier die Werte vereint, auf denen Amerika sein noch heute gepredigtes Selbstverständnis gründet Gabriel ist der wahrlich patriotische Prophet, der von einem neuen, ganz wunderbaren Land träumt. Dafür müssen auch historische Ungenauigkeiten und Utopien herhalten. Martin lässt die Schwarzen bereits als freie Leute arbeiten, und bei den Rebellen spielen weiße und schwarze Kinder ohne Arg miteinander.
Die richtige Sache soll jeden Krieg rechtfertigen. Martin wird zu seiner vaterländischen Pflicht gezwungen, als Thomas von einem sadistischen Colonel erschossen wird. Und als auch noch Gabriel fällt und Martin endgültig verzagt, beschwört ihn ein befreundeter General: „Gib seinem Tod wenigstens einen Sinn.“ Martin schultert die amerikanischen Flagge und stürmt an der Spitze der fast schon geschlagenen Revoltionstruppen zum Sieg.
All das ist vorhersehbar. Eine Stunde kürzer aber hätte der Guerillakampf der ruppig-herzlichen Waldläufer und Farmer gegen die hochnäsigen Rotröcke noch als klassischer Abenteuerfilm gefallen.