Der nackte Führer
"Der Bonker" heißt die neue Hitler-Travestie von Walter Moers - eine bizarre Comic-Antwort auf Eichingers "Untergang"
Man stelle sich vor: Anstatt in den Krieg zu ziehen, angetrieben vom grölendsten Feldherrn aller Zeiten, hätte das Volk a cappella und beswingt „Adolf, du alte Nazisau, kapitulier doch endlich“ gesungen. Oder es hätte Adolf nackt in der Badewanne im Gespräch mit Gummi-Enten und shampooniertem Schäferhund Blondie gesehen. Auch wenn es verrückt klingt, aber die Badewanne hätte vermutlich einen kompletten Weltkrieg verhindert. Denn hätte besagtes Volk beim verklemmten Schmierenkomödianten Adolf Hitler nicht zwanghaft an ganz großes Theater gedacht, dann hätte die große Bühne wohl kaum Tragödie geboten, sondern schlimmstenfalls eine alberne Seifenoper.
Walter Moers spielt mit den Facetten dieser Gedanken seit seinem ersten Adolf-Band 1997. Mittlerweile liegt der dritte Teil vor – „Der Bonker“ -, und noch immer schlägt sich Moers mit Leuten herum, die ihm vorwerfen, den Nationalsozialismus zu verharmlosen. Es ist müßig zu betonen: als hätte es Charlie Chaplin und den „großen Diktator“ nie gegeben. Was Kritiker der besonders gutmenschelnden Art nicht verstehen: Die Moersschen Verulkungen zielen nicht auf die Taten Hitlers, sondern die Person. Indem er Adolf zur lächerlichen Nazisau verkleinert, verharmlost Moers keineswegs die Verbrechendes Faschismus – er belastet vielmehr diejenigen, die Hitler nicht verhindert haben. Nicht von ungefähr kommt die Kritik an Moers im Kern aus dem Umfeld der Gruppe 70 plus. Aber es geht ja auch rund, in diesen Tagen, in dieser Republik: Das Land ist in Aufruhr. Im Osten rüpelt die NPD. In Ost und West werden zahllose Schwarz-Rot-Gold-Flaggen auch in der Nachspielzeit der WM nicht wieder eingeholt – und Sönke Wortmann zeigt bewegte Männer im Nationalrausch. Wenn sich dann auch noch Hunderttausende von Internet-Kids Klingeltöne nach dem „Nazisau“-Song aufs Handy laden, ein Animationsfilmchen mit Nein-ich-kapituliere-nicht-Adolf durch die Clip-Charts flippt und der Song als CD ausgekoppelt zum Hit wird, stellt die kritische Intelligenz natürlich so ihre Überlegungen an. Witze mit Adolf? Wird er womöglich zum Popstar? Wie konnte es dazu kommen?
Vor einigen Jahren spielte Walter Moers mit dem Gedanken, ein neues Medium auszuprobieren. Der zweite Adolf-Band lag in den Buchhandlungen, und Moers arbeitete an einem Hörspiel für ein weiteres Stück aus Adolfs Leben. In der damals entstandenen, nie öffentlich gemachten Version war ein Gimmick namens „Der kleine Hunger“ dabei, selbstverständlich die Flasche Chantree, dann Churchill, Gandhi, Michael Jackson, Hermann Göring und Eva Braun – des weiteren ein Handy, das dem Hörspielrahmen so etwas wie ein Zentrum gegeben hätte. Moers allerdings, der seine Bestform im Griff über Mediengrenzen hinaus erreicht, haderte mit dem Ergebnis – und vor allem mit den Möglichkeiten der Umsetzung. Wer sollte Adolfs Stimme sein? Wie konnte sich der Bildmensch Moers mit den Ergebnissen einer bildlosen Umsetzung zufrieden geben?
Es hat lange gedauert, bis „Der Bonker“ erschien. Und das Ergebnis ist hybrid, eine Mixtur, ein pfiffiges Spiel auf verschiedenen Bühnen, das in der kleinen Filmform mündet und in seinen bizarren Effekten erstaunt, denn es waren zwei zündende Momente, die das trickreiche kleine Werk ermöglichten. Mit Thomas Pigor fand Moers – nach langer Suche – einen Künstler, der Adolf Hitlers Stimme täuschend echt imitiert – und gleichzeitig mit dem notwendig hohen Grad von Parodie versieht. Das Animations-Genie Felix Gönnert schließlich entpuppte sich als Trickfilm-Experte, dem das Kunststück gelang, die Moersschen Bild- und Textvorlagen im Pixar-Standard umzusetzen. „Der Bonker“, die „Adolf-Tragikomödie in drei Akten“ ist „Der Untergang“ im Kleinformat mit deutlich bissigeren Bildern, als sie Eichinger je hinbekommen hätte. Das flinke Ergebnis ist denn auch all jenen ungeheuer, die es lieber schwerfällig und mythisch hätten. Kaum war der von Thomas Pigor gesungene Clip-Song ausgekoppelt und den Multiplikatoren des Musikgeschäfts zur Verfügung gestellt, setzte vorauseilendes Kuschen ein: MTV, RTL2, Pro7 verbaten sich die Ausstrahlung. Als die Republik in Berlin ein müdes Mozart-Stück entschärfte, hoben Lea Rosh und Ralph Giordano die Finger, um vor Moers zu warnen. Man darf gespannt bleiben, was noch passiert, wenn es künftig um die Verletzung von Führergefühlen geht.