Der Mann, der vom Himmel fiel
Andrew Horns wunderbarer Dokumentarfilm "„The Nomi Song" erinnert an das kurze, nicht sehr glückliche Leben des Sängers Klaus Nomi
Er kam doch nicht aus dem Weltall, sondern „aus Bayern“, wie es lapidar heißt, und er buk so gern Kuchen. Einmal durfte der Außerirdische im amerikanischen Fernsehen seine Törtchen vorführen, in fast feierlichem Englisch, und endlich war er einmal glücklich. Klaus Nomi, der früher Sperber hieß, war Mitte der 70er Jahre nach New York gekommen, ein Counter-Tenor, in Berlin ausgebildet, den niemand brauchte. So viele Szene-Künstler wollten damals in den Dunstkreis von Andy Warhol gelangen, verfaßten Waschzettel und Ankündigungen von Happenings in den kleinsten Kaschemmen, die Hauswände waren vollgeklebt damit Dann passierte Disco, aber auch Punk und New Wave, und der Laden von Fiorucci wurde zum Showroom der Aktionskunst. Es war der Moment des Klaus Nomi.
Zunächst sang er seine Arien zur Tonkonserve vom Band, schon damals streng zum Raketenkopf stilisiert und grell geschminkt, und drumherum gab es eine Art Cabaret, manche nannten es auch Freak-Show. Sogar in diesem bizarren Ambiente war Nomi eine Sensation. Vor Max’s Kansas City standen die Leute nachts Schlange, um den Deutschen outer Space zu sehen. Die Schauspielerin Ann Magnusson erinnert sich daran, wie der komische Kauz auf menschenleerer Straße (gab es damals noch in New York) auf einen schmuddeligen Schneehaufen (gab es damals noch in New York) stieg und eine Arie schmetterte.
Eine deutsche Freundin erinnert sich an die weltliche Naivität Nomis, an seine Geldsorgen und die Suche nach thrill in den dunkelsten Vierteln. Nomi hatte einen halbprofessionellen Manager und einen halb-professionellen Lichtmacher und war mit ein paar Musikern und Künstlern befreundet. Er wohnte in einem kleinen Appartement, wo er die Kreativen zum Kaffeeklatsch empfing. Kostüme bezahlte er mit Torten. Dann wurde David Bowie auf diese roboterhafte Gestalt aufmerksam und verpflichtete sie für einen Auftritt in „Saturday Night Live“, wo er – Bowie! – in einem dreieckigen Kostüm, gleichsam als Kegel, hereingetragen wurde, und „TVC 15“ und „The Man Who Sold The World“ im zickigen Stil der Zeit sang. Klaus Nomi durfte an der Seite stehen und Harmonien singen. Bowie, der nie besser war, triumphierte und ließ fortan nichts mehr von sich hören. Nomi ließ sich immerhin das kubistische Kostüm schneidern, das Bowie an jenem Abend getragen hatte.
Richtig voran ging es nicht. Die Plattenfirmen argwöhnten, die Zeit sei noch nicht reif für ein schwules Avantgarde-Alien mit Falsettgesang. So tingelte die Mannschaft durch den Mittleren Westen und entlang der Ostküste, Nomi mußte sich in New Jersey – im Vorprogramm der Metal-Truppe Twisted Sister von langhaarigen Heterosexuellen beschimpfen lassen. Er war eine Weile indigniert, und einsam war er auch, und schließlich unterschrieb er eine zweifelhaften Plattenvertrag. Die Musiker seiner Shows – die hier ausführlich zu Wort kommen – wurden ersetzt durch eine professionelle Band, und ein französisches Label veröffentlichte eine modische New-Wave-Platte, die mit seiner Bühnenshow nicht viel zu tun hatte. Nomi nahm noch eine weitere Platte auf, ehe er 1982 an Aids erkrankte. Was das bedeutete, begriff er wohl nicht. Die alten Freunde trauten sich nicht ins Krankenhaus, der Schrecken war zu groß. Ein Jahr später war Nomi tot.
Einmal durfte er zu Thomas Gottschalks „Na sowas!“ ins deutsche Fensehen, da konnte er sich nicht setzen, weil sein Kostüm so spitz war. In Zeitschriften hielt er einen Kräuterlikör zu dem berühmten Satz „Ich trinke Jägermeister, weil…“ hoch, das brachte Geld. Sonst wollte man in seiner Heimat wenig von Nomi wissen, New York war weit weg. Ein Interview zwischen Industrieruinen zeigt einen schüchternen, leise und bedächtig sprechenden Mann, dem man seine Herkunft anhört.
Die Tante wird in „The Nomi Song“ von einem Wohnzimmer-Stilleben mit alter Frau vertreten, sie erzählt nur aus dem Off. Klaus wollte immer singen, erst Lieder von Elvis, dann ahmte er die Callas nach. Als er zum letzten Mal daheim war, sah er sich den Garten an, plauderte, alles war wie immer. Nichts sagte er von seiner Krankheit zum Tode.
Wie eine Erscheinung verschwand Klaus Sperber von der Erde, 39 Jahre alt He was stardust, he was golden.