Der Luxus des frühen Ruhms
Seit langem begleitet RS-Autor Jörn Schlüter die Karriere von Robert Plant. Nun blickt er zurück auf das Solowerk des „berühmtesten Hobbysängers der Welt“, wie er Plant nennt.
Erste Erinnerung: Robert Plant im CCH zu Hamburg (1990). Man war ein bisschen aufgeregt damals – Robert Plant hatte mit „Manic Nirvana“ schon die zweite Platte in Folge gemacht, die ein bisschen an früher erinnerte. Das machte Hoffnung – der leidgeprüfte Fan freute sich über die eine oder andere Led-Zep-artige Melodie und hörte hinweg über die kühle Produktion sowie die etwas schalen ZZ-Top-Riffs. Die Platte sei doch gut, sagte Robert Plant vor dem Konzert, wenigstens habe er sich nicht wiederholt.
Sich nicht wiederholen, das ist wichtig für Robert Plant.
Der Auftritt im dreiviertelvollen Saal 3 gelang dann trotz der kühlen Modernismen, weil Plants Band gut spielte und einige der neuen Kompositionen durchaus Gesicht hatten. Aber „No Quarter“ mit Synthies? Nicht schön.
Zweite Erinnerung: Robert Plant in der Alsterdorfer Sporthalle, Hamburg (1993). Plant spielte im Vorprogramm von Lenny Kravitz, das muss man sich mal vorstellen. Ein Großteil des Publikums wusste nicht, wer der ältere Herr auf der Bühne war und wunderte sich über die enthusiastische Reaktion einiger Besucher. Das damals aktuelle Werk, „Fate Of Nations“, trug die alten Mensuren, rockte hart und psychedelisch. War das die lang ersehnte Rückkehr zu den Wurzeln? Ein bisschen, das kann man jetzt sehen. Plant hatte sich zehn Jahre lang abgenabelt und einen anderen Sound probiert, um nicht in den Verdacht der Nachahmung zu geraten, jetzt traute er sich wieder die Rockbreitseite.
Vieles auf dem Weg von „Pictures At Eleven“ (1982) bis „Fate Of Nations“ (1993) war Selbstversuch und ein neugieriges Spiel mit den Möglichkeiten. Erst zwischen 2002 und 2005, mit den Alben „Dreamland“ und „Mighty ReArranger“, kam Plant wieder bei sich selbst an. Back to the future: Der orientalische Blues und der psychedelische Songwriter-Folk passten zu Plant, weil man diese Musik mit ihm auf ewig verbindet und weil eine neue Generation von Musikern und Zuhörern sie wieder als zeitgemäß empfand.
„Nach dem Ende von Led Zeppelin“, schrieb Plant 2003 für die Liner Notes zur Werkschau „Sixty Six To Timbuktu“, „wurde das Singen für mich zum Hobby“. Das ist kokett, aber vermutlich nah an der Wahrheit. Plant nimmt die Musik ernst, ist viel mehr devoter Fan als selbstverliebter Narziss. Aber seine eigenen Platten, nun, die würde Plant nicht überschätzen wollen. Schon bei Led Zeppelin habe er sich nie für etwas Besonderes gehalten, sagte Plant 2007 dem ROLLING STONE. Er sei nur zufällig in der besten Band der Welt gelandet.
Und so gibt es im Solowerk von Robert Plant eine gewisse Gelassenheit über die Ergebnisse, sogar so etwas wie Amüsiertheit. „Shaken’n’Stirred“ von 1985? Natürlich ein Fehlschlag. Modern klingen wollte Plant, dem Jahrzehnt Paroli bieten. Heraus kam eine verkehrte Welt aus Gitarren-Synthies und 80s-Wave-Pop-Stilblüten, an der man nur den Mut des Künstlers gut finden konnte. Egal, fand Plant und lächelte sein süffisantes Lächeln, hätte ja klappen können.
Diese Unbekümmertheit durchzieht ein Solowerk, das keineswegs mit dem Hammer der Götter geschmiedet, sondern eher von der Muse ins Leben geküsst wurde. Die EP der Honeydrippers? Größtenteils an einem Sonntagnachmittag aufgenommen, die Besetzung hatte sich einigen Chronisten zufolge erst am Abend vorher geklärt. Priory Of Brian? Eine Feierabendkapelle mit Musikern aus der Nachbarschaft. Plant zog um die Häuser und spielte in den Pubs der Midlands eine ungenierte Mischung historischer Musiken. Als die Clubs größer wurden und das Business ins Spiel kam, löste Plant die Band auf.
Dritte Erinnerung: Robert Plant im Hotel Atlantik, Hamburg (2002). Das Album „Dreamland“ ist Plants neueste Auseinandersetzung mit den Liedern anderer Leute, es ist sein bis dahin bestes Werk. Plant hatte eine halbprominente Band britischer Pop-, Trip-Hop- und Rockmusiker zusammengestellt, die mit ihm intuitive, ekstatische Versionen alter Favoriten kreierten. Plant spricht im Interview von einem magnetischen Sturm, den seine Band entfachen werde. „Die Leute sagen ja immer, ich sei ein Solokünstler, aber das ist Unsinn“, sagte er, „ich bin Sänger, ich bin auf meine Band angewiesen.“ Das ist der zweite Schlüssel ins Solowerk von Robert Plant: Seine Platten sind immer so gut wie das jeweilige Personal. Nach dem Ende von Led Zeppelin war Plant bereits ein fertiger Superstar, der seine Bands mit den Augen leiten konnte. Doch das Dilemma des Sängers blieb: Da hat man vielleicht eine Idee oder einen Sound im Kopf, doch ohne den richtigen Instrumentalisten oder Produzenten wird nichts draus. Plant hat seine Bands stets wie Versuchsanordnungen aufgebaut, hat Menschen und Stile zueinandergebracht und gespannt beobachtet, ob die erwartete Reaktion eintritt. So war ja auch Led Zeppelin zur Riesenband geworden.
Unterm Strich muss man sagen: Es waren starke Charaktere dabei, interessante Besetzungen und musikalisch durchaus gelungene Phasen. Doch erst als Robert Plant nach Amerika ging, gelang mit T Bone Burnett ein uneingeschränkt fabelhaftes Album. Fast dreißig Jahre nach dem Ende von Led Zeppelin!
Man meint doch, dass Plant es vorher hätte wissen können – einer, der in Clarksdale jeden Acker kennt und am Grab von Sonny Boy Williamson Mundharmonika spielt, sollte seine Platten zumindest hin und wieder dort aufnehmen. Plant braucht die Besten, um der Beste zu sein, das ist die Erkenntnis von „Raising Sand“ und nun auch von „Band Of Joy“ (Kritik auf Seite 15). Burnett und Plants Band-Of-Joy-Kollaborateur Buddy Miller sind solche Königsmacher, deren archaischen, gravitätisch verlangsamten und historisch informierten Klänge Plant doch aus dem Herzen sprechen müssten.
Im Übrigen setzen sie auch den adäquaten Rahmen für den nun 62-Jährigen, dessen Stimme dunkler und dessen Ton reflektiver wird seit einigen Jahren, weshalb ihm die ganz grellen Led-Zep-Songs wie zum Beispiel „Whole Lotta Love“ auch seit längerem nicht mehr ganz so gut zu Gesicht stehen. Herzlich willkommen: Das hier ist das dritte Kapitel des Solowerks von Robert Plant, es ist das zweitbeste seiner Karriere. Gut möglich, dass der Neugierologe bald zu den Honeydrippers zurückkehrt, nochmal mit Priory Of Brian an irgendeiner Milchkanne spielt oder mit Strange Sensation ein paar alte Lieder mächtig umarrangiert. Wäre doch schön!
Aber noch schöner wären zwei, drei weitere Alben in Amerika.