Der letzte Freibeuter
Er macht, was er will, und nimmt sich, was er braucht: Daher ist BEN BECKER unser qlamourösester Star
„Morgen, Morgen, Morgen“, plärrt Ben Becker schneidig, als er hereinstürmt. Die Hände hat er in den Hosentaschen seines graukarierten, zerknitterten Anzugs vergraben, die rotblonden Haare sind wie immer mit etwas zu viel Gel streng zurückgekämmt Wie ein Rittmeister inspiziert er das Porzellangeschirr in der Suite des hanseatischen Nobelhotels, als wolle er noch mal kurz durchatmen vor dem interviewtag, den er heute mit Jürgen Vogel zu dem Film „Sass – Die Meisterdiebe“ bestreiten wird.
Dann will er „Kaffee und Zigaretten, nee, mehr nicht“, zieht das Jackett aus und flenzt sich auf einen StuhL Die Assoziationen in diesem Augenblick sind nicht zu verhindern: Becker ist der Typ, der einem auch Gebrauchtwagen verkaufen oder Huren feilbieten könnte. Hemdsärmelig, verschwitzt, scheinbar unausgeschlafen, mit deftigem lonfalL Er schnorrt eine Zigarette. Wegen des Qualms hat er einen größeren Raum als Vbgel, der Nichtraucher ist, mit sanfter Stimme spricht und dabei die Hände im Schoß gefaltet hat.
Becker ist auch der größere Star, aber nicht, weil er der bessere Schauspieler ist Eigentlich hat er nicht mal in einem wirklich bemerkenswerten Film mitgespielt von denen es in Deutschland ohnehin nur wenige gibt, immerhin aber mit „Comedian Harmonists“ in einem der erfolgreichsten. Becker hat Charisma. Punkt Denn daran mangelt es den – sogar virtuoseren – meisten männlichen Darstellern hierzulande, und das macht den Selbstdarsteller Becker fast schon zum einzigen deutschen Star.
Becker grinst. „Ich will mich ja jetzt nicht als Star outen – aber den Glamour hatte ich schon mit 15.“ Als Jugendlicher hat er randaliert. Er war Punk. Die Sauftouren mit seinem Stiefvater Otto Sander gehörten zum Klatschrepertoire. Er schwärmt von bizarren Berliner Nachtclubs, kleidet sich gerne wie ein Dandy und auch schon mal mehr als eine Spur zu pompös. „Die Kunst der Seibstinszenierung, muss ich gestehen, macht Spaß. Es ist, sag ich jetzt mal, eine Art von Selbstverliebtheit, die ich auch zur Schau stelle.“
Und doch – oder gerade deswegen kann man sicher sein, dass an Becker alles authentisch ist. Er ist ein Bauchmensch. Launisch, also auch euphorisch. Wennjemand erwähnt, er trinke gerne Weizenbier, kann er das plötzlich für eine tolle Idee halten und sofort eines bestellen. Diese Sprunghaftigkeit hat ihn auch dazu gebracht, in Berlin seine Kneipe „Trompete“ zu eröffnen. Er dreht Kinofilme, spielt im Fernsehen, macht Theater, gibt Lesungen und nimmt Platten auf mit seiner Zero Tolerance Band. Bezeichnend ist das neue Album „Wir heben ^“betitelt. Und fast jeden Satz spickt er mit den Wörtern irgendwie, irgendwo, irgendwann. Das ist nicht oberflächlich, sondern ein Triebausdruck. „Es kommen einfach Sachen auf mich zu, zu denen ich nicht nein sagen kann, weil sie mich zu sehr interessieren. Natürlich schütte ich mich da auch irgendwie zu mit Arbeit. Andererseits kann ich das irgendwie auch gebrauchen.“
Becker braucht Anerkennung und Aufmerksamkeit „Aber ich habe auch einfach ein Mitteilungsbedürfnis und die Lust daran, Geschichten zu erzählen.“ Und wenn zu wenige Leute zuhören, bewirken Farbeier oder eine rote Fahne am Potsdamer Platz auch ganz schöne Effekte. „Es gibt so viel Scheiße und Schwachsinn da draußen, da muss ich manchmal irgendwie direkt in die Menge ballern. Und es ist ja auch ein Spaßfaktor dabei.“ Ihn wegen seiner priviligierten Postion aber als Salon-Bolschewisten zu schimpfen, ärgert ihn maßlos. „Ich habe mich ernsthaft mit dem Kommunismus auseinandergesetzt Und die Grundidee ist gar nicht so dumm.“ Die Revolution gegen den bourgeoisen deutschen Film hat er jedoch erst mal auf irgendwann verschoben. „Das ist nicht meine Tasse Tee. Da mache ich lieber meine Kleinkunst“
Sein Leben wird er trotz der Geburt seiner Tochter nicht umkrempeln. „Natürlich hat sich was geändert, ich habe ja nicht einen Hund gekauft.“ Aber er glaube an Widersprüche. „Kinski war auch nicht nur das Tier, der Wahnsinnige, sondern auch ernsthaft und sehr, sehr sensibel. Poliere ich mich auf sauber, würde mich meine Freundin nicht mehr lieben.“