Der leise Treter
Wie ein sanftes Raubtier stromert James Yorkston durchs Folk-Gehölz – zu Hause ist er nirgendwo Zwischen zwei Geschichten lässt James Yorkston einen wählen, wenn man ihn fragt, warum er sein neues Album „The Year Of The Leopard“ genannt hat. In der einen Geschichte schwärmt der schottische Songwriter einem dann von Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman „Der Leopard“ vor: „Der Titelheld wird mit einer sich verändernden Welt konfrontiert, und er weiß nicht, ob er bereit ist, sich auf diese Veränderungen einzulassen.“ In der anderen Geschichte erzählt er von einem Puma, der ein Jahr lang um das Dorf im schottischen Regierungsbezirk Fife herumstromerte, in dem Yorkston geboren und aufgewachsen ist. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es den Puma wirklich glücklich gemacht hat, in Fife zu sein“, sagt er, „und dieses Gefühl, irgendwie fehl am Platz zu sein, kenne ich gut.“
In den behut-und sparsam arrangierten Songs auf „The Year Of The Leopard“, die in der Tradition von weniger landläufigen Meistern wie John Martyn, Leo Ferre oder Lei Waterson stehen, gibt sich Yorkston als heimatlos Suchender: „Es gibt eigentlich keinen Ort, an dem ich zu Hause bin“, sagt er. In Großstädten spürt er ein Unbehagen, aber auch im ländlichen Idyll von Fife fühlt er sich nicht wirklich richtig aufgehoben. Seine Mutter wurde in Ägypten geboren, die Familie seines Vaters stammt aus Argentinien. „Meine Musik ist durch die Orte geprägt, an denen ich gewesen bin. Und wenn ich etwas schreibe, geht es sehr oft um die Suche nach einem Platz, den ich zu Hause nennen, nach einem Platz, an dem ich glücklich sein kann.“
Der Garagenpunk, den Yorkston mit seiner ersten Band Huckleberry in Edinburgh machte, brachte ihn bei der Suche nach dem Glück nicht weiter. Mehr schon das Fence Collective, eine lose Musikergemeinschaft im heimischen Fife, die Yorkston seine musikalische Familie nennt und zu der sich auch schon KT Tunstall und die Beta Band hingezogen fühlten.
Inzwischen setzt er die Musik, die er lieber als Akustik-Pop denn als Nu Folk bezeichnet, ott wie ein Puzzle zusammen. ,The Brussels Rambler“ etwa: Die Musik entstand, als Yorkston mal keine Lust hatte, Gitarre zu spielen, und stattdessen mit einem Drumcomputer herumexperimentierte; den dazu passenden Text fand er in seinem Notizbuch, das er überall hin mitnimmt. In der Version, die der ehemalige Talk Talk-Mann Paul Webb in seiner Funktion als Produzent von „The Year Of The Leopard“ mit alten Röhrenmikros analog aufgenommen hat, ersetzen nun Basstrommeln, akustische Gitarren, Akkordeons und Klarinetten die Maschine.
Meistens konnten sich Webb, den man als Produzenten inzwischen unter dem Namen Rustin Man kennt, und sein Tontechniker Phill Brown darauf beschränken, James Yorkstons fertige Demos einfach noch ein bisschen intensiver, intimer und wärmer klingen zu lassen. „Ich will, dass die Leute merken, dass sie einem zuhören, der es ernst meint und der ehrlich ist“, sagt Yorkston. „Einem, der ihnen nichts verkaufen will, der sie nicht anbrüllt und anblafft, wie es die Werbespots im Fernsehen tun, um ihnen vielleicht weiszumachen, dass sie besseren Sex haben oder einen Universitätsabschluss bekommen werden, wenn sie gut zuhören.“
Und weil Yorkston vier der zehn Songs von „The Year Of The Leopard“ allein eingespielt hat, tauchen The Athletes, die Band seiner ersten beiden Platten „Moving Up Country“ und „Just Beyond The River“, auf dem Cover nicht mehr als Anhang auf – obwohl auch dies mal Akkordeonspieler Reuben Taylor oder Violinist Jon Bews immer wieder aushelfen. „Ich glaube, auf dem nächsten Album wird es aber wieder James Yorkston & The Athletes heißen“, verspricht Yorkston. „Es fühlt sich ein bisschen seltsam an, nur James Yorkston zu sein.“