Der leise Sozialdemokrat
Vielleicht wäre er in eine Depression gestürzt, vielleicht hätte er erst mal gar nichts mehr angefasst, was in irgendeiner Form mit Musik zu tun hat -oder zumindest nichts mehr veröffentlicht. Zum Glück kam der Anruf von Larry Klein genau im richtigen Augenblick. „Als Larry anrief, war ich gerade in einer miesen Stimmung. Ich hatte das Gefühl, anderthalb Jahre mit einem britischen Label verschwendet zu haben, und wusste nicht, was ich als Nächstes tun sollte“, sagt Thomas Dybdahl. Es schwingen Erleichterung und die Freude über sein neues Album „What’s Left Is Forever“ in diesen Sätzen mit.
Larry Klein, Ex-Ehemann von Joni Mitchell, Bassist und Grammy-verwöhnter Produzent, kannte Dybdahls Lied „Lovestory“, das ihm ein Freund schon vor Jahren als MP3 geschickt hatte. Als Klein schließlich die Möglichkeit bekam, ein eigenes Label namens Strange Cargo zu gründen, bestand die erste Vertragshandlung darin, ein Telefonat nach Norwegen zu führen. Wenig später befand sich Dybdahl im Studio „The Village“ in Los Angeles, in dem Fleetwood Mac „Tusk“ eingespielt haben. Klein engagierte eine Reihe hochkarätiger Musiker, die zu seiner Stamm-Crew gehören, darunter Schlagzeuger Jay Bellerose und Keyboarder Jamie Muhoberac. Für die Streicher konnte er sogar Vince Mendosa gewinnen, der schon für Björk und Joni Mitchells orchestrales „Both Sides Now“ die Arrangements geschrieben hat.
„Larry ist sehr umgänglich und weiß genau, was er will“, berichtet Dybdahl. „Es gab für mich einen großen Lernprozess, weil wir das Album als Ganzes erarbeitet und nicht Stück für Stück zusammengesetzt haben.“ So entstand „What’s Left Is Forever“, ein „Old-School-Album“, von vorne bis hinten durchkonzipiert, das zugleich Dybdahls vollendetstes ist, weil es nicht nur in Sachen opulenter Instrumentierung und Produktionsraffinesse einen Wendepunkt in seiner Karriere markiert. Noch nie schwebte seine zerbrechliche, ungekünstelte Stimme durch so viele eingängige Folk-Pop-Stücke, die oft über hypnotischen Rhythmen vibrieren. „Ich wollte zurück zu richtigem Songwriting, zu Leuten wie Paul Simon“, erklärt er. Hybride Sounds und solides Handwerk zwischen Country, Soul, Rock und Folk widersprechen sich in Dybdahls musikalischem Weltbild nicht.
Klein lobt die Zusammenarbeit mit dem talentierten Norweger in höchsten Tönen, wohl auch, damit ihm endlich auch international die Anerkennung zuteil wird, die ihm seit seinem fantastischen Debüt, „That Great October Sound“ im Jahr 2002, gebührt. „Es geht mir oft so, dass ich in andere Länder komme und die Leute nicht glauben können, dass dieses Album auf Platz eins der norwegischen Charts war“, erzählt Dybdahl, der zu Hause ein echter Star ist und im Supermarkt nach Autogrammen gefragt wird. Andererseits genieße er es, im Ausland noch kein etablierter Künstler, sondern ein Underdog zu sein. So lebe er in zwei Wirklichkeiten -und das sei doch toll!
Auch die Aufnahmen in Kalifornien seien einfach wunderbar gewesen, erzählt Dybdahl. „Ich liebe die gesamte Westküste, nur der Verkehr in L. A. ist grässlich.“ Doch bei der Frage, ob er sich vorstellen könne, dort zu leben, gerät er ins Stocken, zögert, druckst herum, sucht nach immer neuen Anfängen für eine passende Antwort und sagt schließlich: „Ich lebe in einer Sozialdemokratie. Das klingt in amerikanischen Ohren wie Kommunismus. Und die amerikanische Mentalität unterscheidet sich sehr von der, mit der ich aufgewachsen bin.“ Ausnahme: Amerikanische Musiker, denn die seien -wie überall auf der Welt – meist liberal eingestellt.
Ein klares „Nein“ kann echt schwer sein.
„Ich wollte zurück zu richtigem Songwriting, zu Leuten wie Paul Simon“