Der kreative Spielplatz
Die Kanadierin NELLY FURTADO tobt sich zwischen HipHop, R&B und Pop als Songschreiberin aus - und ist von ihrem Erfolg selbst überrascht
Vital geht es zu in der komfortablen Suite des Kölner Hotels, in dem Nelly Furtados Promotreck beim kurzen Deutschlandabstecher Halt macht. Eine Menge Leute sitzt entspannt am reich gedeckten Tisch und labt sich an allerlei kostenlosen Köstlichkeiten, ein Fernsehteam verabschiedet sich ganz herzlich von den Anwesenden, als wäre man seit Jahren bekannt – und zwischendrin wippt der Popstar selbst durch den Raum, nascht vom Büfett und wirkt ganz und gar sorglos – fast meint man, man sei in ein südländisches Familientreffen geplatzt, zu der hier nur das rechte Interieur fehlt.
Die helle Lebensfreude der Szene passt gut zur Künsderin. Nelly Furtado, 21-jährige Kanadierin portugiesischer Abstammung, verdreht momentan mit ihrem Debütalbum JVhoa, Nelly!“ überall auf dem Planeten Musikliebhabern mit einem agilen Mix aus recht individuellem Singer/Songwriter-Pop und eigen interpretiertem HipHop/ R&B-Versatz den Kopf. Auch der Sound aus Nellys ursprünglicher Heimat kommt nicht zu kurz. „Wir haben zu Hause oft portugiesische Lieder gesungen und die entsprechenden Instrumente gespielt“, erinnert sich Nelly an die Heimatpflege im Haus ihrer Eltern. „Dieses Gefühl, einer anderen Kultur anzugehören und irgendwie eine Fremde zu sein, hat meinen Blick auf meine eigene Identität geprägt.“
Es blieb indes nicht beim Liedgut der Eltern. Schon in frühen Teenagerjahren begann Nelly, in verschiedenen HipHop-Formationen als MC die Stimme auf eine neue Art einzusetzen. „Das war cool“, sagt Nelly. Das sagt sie oft und unterstützt die Worte dabei mit expressiven Gesten – Furtado geriert sich im Gespräch wie in der eigenen Musik: quirlig, schnell und lebensfroh. Und da sich solch erfrischende Vitalität hier mit einiger Begabung als Sängerin und Liedschreiberin paart, gab es schon bald viele Angebote für musikalische Kooperationen. Doch Nelly wollte erst mal nicht. „Ich hatte Angst vor dem Papierkram, den Vferträgen und den Verpflichtungen“, bekennt sie, „und außerdem wollte ich noch ein bisschen länger einfach Teenager sein.“
Sprach’s und verschwand erst einmal auf Rucksackurlaub nach Europa. „Ich musste mich sammeln und reifen, bevor ich das Gefühl hatte, für einen professionellen Einstieg als Musikerin bereit zu sein.“ Zurück in Kanada war dann Schluss mit der Jugend. Zusammen mit zwei befreundeten Produzenten entwarf Nelly in einer Mixtur aus traditionellem Songwriting und trial anderror am Computer ihr Debüt. Eine inspirierende Erfahrung, sagt Nelly. „Wir haben die Platte gemacht, wie man es machen soll – es war organisch und experimentell und aufregend“, freut sie sich, nun ganz in Fahrt, und philosophiert unaufgefordert für eine Weile über den kreativen Funken und wie man ihn entfacht. „Es gab keine Grenzen, wir waren wie Kinder auf einem Spielplatz unendlicher Möglichkeiten.“
Mit Nelly spielen wollen jetzt freilich viele. Timbaland etwa, der unlängst einen Fetzen von „Whoa, Nelly!“ sampelte, und Missy EUiott, die Nelly für einen Remix von „Get Ur Freak On“ holte. Das Lilith Fair-Festi val hat sie hinter sich, U2 baten sie ins Vorprogramm, und in Kanada prasselt es längst Preise en masse – whoa, Nelly. „Es ist eine gute Lehre darin, welche Ausmaße Popularität annehmen kann“, sagt Nelly lachend, „schlimmer als jetzt zu Hause kann es nicht mehr werden.“ Das wird man sehen.