Der Jahresrückblick: Der „Tatort“ frisst sich selbst
Nur zu gern sieht man sich jeden Sonntag Abend die neue Folge "Tatort" an. Arne Willander liefert den Rückblick auf das "Tatort"-Jahr '12.
In der guten alten Zeit wussten wir, was wir am föderalen Prinzip des „Tatort“ hatten: Hansjörg Felmy ermittelte für den WDR, Götz George (Duisburg) ebenso, Klaus Schwarzkopf war für den NDR im Einsatz, bis Manfred Krug und Charles Breuer kamen; der Bayerische Rundfunk experimentierte erfolglos mit diversen Darstellern, darunter Helmut Fischer, für den Saarländischen Rundfunk waren Sonderlinge unterwegs wie der radfahrende Jochen Senft, und die Wiener Ausgabe mit dem alten Grantler Fritz Eckhardt war mundartlich nicht zu verstehen. Seitdem wurde das landsmannschaftliche Konzept immer mehr aufgeweicht.
Seit einigen Jahren adelt nicht mehr der Schauspieler den „Tatort“ – es sind die Schauspieler, die im Lichte der „Tatort“-Rolle erstrahlen. Jan-Josef Liefers und Axel Prahl sind mit ihren albernen Münsteraner Schwänken veritable Stars geworden, Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt stehen seit bald 20 Jahren bräsig an der Kölner Wurstbude, und die hartleibige Vorzeige-Duse Ulrike Folkerts hat in Ludwigshafen Dienst bis zur Rente. Robert Atzorn hörte in Hamburg überraschend auf – und nach nur vier Filmen hat nun die gefeierte Nina Kunzendorf ihre steile Type für den Hessischen Rundfunk eingestellt. Wahrscheinlich kommt dafür eine andere Charakterfrau zurück: Kunzendorfs Vorgängerin Andrea Sawatzki. In diesem Jahr überschlugen sich die Nachrichten aus den „Tatort“-Redaktionen: Til Schweiger ersetzt den sehr guten, aber auch sehr eitlen Mehmet Kurtulus in Hamburg, als hätte er nicht genügend zu tun. Nun braucht der „Tatort“ aber am allerwenigsten, was Schweiger so gern reklamiert: „internationales Niveau“, das bei Schweiger freilich nur aus Schnitt-Gehäcksel und Farbfiltern besteht. Eher anstrengend muss man sich auch das Duo Nora Tschirner und Christian Ulmen vorstellen, das jedes Klischee genüsslich grimassierend und chargierend übertreiben wird. Das Duo soll jährlich einen „besonderen Fall“ bekommen, heißt es. Mit dem emsigen Devid Striesow, der früher „Bella Block“ assistierte und den SR übernimmt, war zu rechnen. Und der neuerdings allgegenwärtige Wotan Wilke Möhring erhält auch noch einen Claim.
Wir hätten ein paar Vorschläge für weitere Besetzungen, falls noch ein Sonntag im Jahr 2013 ohne „Tatort“ ist: Matthias Schweighöfer, Misel Maticevic, Daniel Brühl, Henry Hübchen, Stefan Kurt, Heino Ferch, Götz Schubert, Uwe Ochsenknecht, Udo Samel, Uwe Kockisch, Fritz Wepper und Michael Gwisdek. Falls er vom Kommissariat Istanbul abzuziehen ist, wäre auch Erol Sander zu überlegen. Sascha Hehn wird leider Kapitän des „Traumschiffs“.