DER HARTE KÄMPFER
Er ist alles andere als ein riese -sogar noch kleiner, als er auf dem Bildschirm rüberkommt -, und selbst wenn seine Beine nicht immer so wollen, wie es der Kopf möchte, wirkt er auf den ersten Blick doch agiler als die meisten seiner Zeitgenossen. Aufgeräumt und braun gebrannt stürmt er in das bescheidene Büro, das er in seinem Apartmenthaus auf Manhattans Upper East Side unterhält. „Hey, how ’s it going?“, sagt er mit dieser vertrauten, leicht piepsigen Stimme, die unweigerlich Assoziationen an „Zurück in die Zukunft“ auslöst.
Fox läuft durch die Verbindungstür gleich weiter ins anschließende Zimmer und wirft sich auf ein braunes Ledersofa. In der Ecke stehen eine Fender Stratocaster und ein Twin-Reverb-Verstärker, beide nagelneu, beide sogar noch mit Preisschild. Auf den weißen Regalen sieht man neben einem Grammy und anderen Erfolgsinsignien gerahmte Fotos, die ihn beim Jammen mit Springsteen und The Who zeigen. In diesem Zimmer lief er auch hektisch herum und schrieb (oder diktierte) seine Memoiren, die nicht zuletzt seinen 22-jährigen Kampf gegen das Parkinson-Syndrom thematisieren.
Vor 13 Jahren stieg Michael J. Fox bei der Fernsehserie „Spin City“(auf deutsch: „Chaos City“) aus, weil er den Eindruck hatte, den Anforderungen der Dreharbeiten nicht mehr gewachsen zu sein. Er hatte seine gesundheitlichen Probleme zwei Jahre zuvor publik gemacht -und als der von ihm gespielte Vize-Bürgermeister Mike Flaherty in den Ruhestand geschickt wurde, saßen nicht weniger als 32,7 Millionen gerührte Amerikaner vor dem Fernseher. Es war auch der Schwanengesang auf eine erfolgreiche Schauspielkarriere: Nachdem er sich in der letzten Episode vom Studio-Publikum verabschiedet und noch einmal mit feuchten Augen in die Kameras gewinkt hatte, schien eine Rückkehr auf den Bildschirm völlig ausgeschlossen. Fox wollte sich der Erziehung seiner drei (bald vier) Kinder widmen und sich verstärkt um die „Michael J. Fox-Foundation“ kümmern, die bereits 350 Millionen Dollar zur Erforschung der parkinsonschen Krankheit eingesammelt hat.
Aber nun macht Fox etwas, das eigentlich undenkbar ist für einen Schauspieler, dem die Ärzte schon 1991 attestierten, nur noch maximal zehn Jahre in seinem Beruf zu haben: Mit 52 kehrt er wieder an seinen Arbeitsplatz zurück. Bereits 2004 hatte er angefangen, sich für Gastauftritte in Serien wie „Boston Legal“, „Rescue Me“,“The Good Wife“ oder „Curb Your Enthusiasm“ verpflichten zu lassen, doch nun hat er die Arbeit an der dritten großen Sitcom seiner Karriere begonnen -der „Michael J. Fox Show“. Gestern stand er sogar noch um ein Uhr morgens vor der Kamera – am Ende eines 14-stündigen Drehtages. „Ich rede mir gar nicht erst ein, es nicht schaffen zu können“, sagt er. „Ich mach’s einfach. Eine Serie ist überschaubarer als das Leben. Es gibt keine Überraschungen. Man weiß, wie das Arbeitspensum für den Tag aussehen wird, plant entsprechende Pausen ein und stimmt die Medikamente darauf ab. Ich bin schockiert, wie viel einfacher es ist, als ich es mir ausgemalt hatte.“
In der neuen Serie, einer klassischen Sitcom für die ganze Familie, spielt Fox einen TV-Moderator mit Parkinson, der aus dem Ruhestand zurück auf den Bildschirm will. „Die Leute fragten mich:,Bist du dir sicher, dass du’s schaffst?‘, worauf ich nur sagte:,Nein, sicher bin ich mir nicht, aber ich habe die Chance und werde versuchen, sie zu nutzen.'“
Abgesehen von seinem Talent, in allen nur erdenklichen Lebenslagen mit entsprechenden Weisheiten zu jonglieren (seine Freunde nennen ihn gerne mal „Ghandi“), ist Fox wohl auch ein medizinisches Wunder: Nach rund einem Jahrzehnt reagieren Parkinson-Kranke gewöhnlich immer weniger auf das synthetische Dopamin, das die typischen Schüttelanfälle zumindest zeitweise mildert. Erstaunlicherweise reagiert Fox aber noch heute auf das Medikament – und hat sich im Lauf der Jahre einen Medikamenten-Mix zusammengestellt, der seinem subjektiven Wohlbefinden zuträglicher ist als noch vor zehn Jahren. Er sieht mit seinen 52 Jahren noch immer gut aus, auch wenn der jugendliche Charme inzwischen einem etwas kantigeren Gesicht gewichen ist.
Und trotzdem ist er just in diesem Moment nicht gerade gut beieinander. Sein Gesicht wirkt maskenhaft, seine Aussprache ist unsauber. Er hat sein rechtes Bein auf den Café-Tisch gelegt, wo es nicht mehr zittert, sondern schon vibriert -als würde er mit dem Fuß zu einem Ramones-Song wippen, der mit doppelter Geschwindigkeit abgespielt wird. Obwohl es einem Außenstehenden kaum auffällt, kämpft er wohl auch mit dem, was man „kognitive Aussetzer“ nennt: Er steht morgens, vor allem vor dem ersten Kaffee, mental noch etwas neben der Tasse. Als ich seinen Gitarrenverstärker bewundere, ist er trotz mehrfacher Anläufe nicht in der Lage, sich an den Firmennamen zu erinnern.
Ohne ein Wort zu sagen, springt Fox auf, geht in ein Nebenzimmer, kommt mit einer überdimensionalen Pille im Mund zurück und spült sie mit einem Schluck Mineralwasser herunter. Er hat heute einen drehfreien Tag und hatte gehofft, mit seiner Medizin bis zu der Golf-Runde zu warten, die für den Nachmittag anberaumt ist. Nimmt man eine größere Dosis, geht die Wirkung schnell nach hinten los – insofern war es ihm einen Versuch wert, mit der Pille noch ein wenig zu warten. „Die Lage schien eigentlich überschaubar und ruhig, also dachte ich mir:,Kann ich das Gespräch auch ohne Medikament führen? Oder ist es entweder ROLLING STONE oder Golf?‘ Ich hatte halt die Hoffnung, unser Interview auch ohne Hilfsmittel über die Runden zu bringen.“
Fox hat mit seinen Symptomen zu leben gelernt, weiß aber sehr wohl, dass seine Mitmenschen ihre liebe Not haben, darauf entspannt zu reagieren. „Wenn mich die Leute anschauen“, sagt er, „sehe ich Mitgefühl in ihren Augen, aber auch Angst und Unsicherheit. Es ist, als würden ihre Augen den Zustand reflektieren, den sie bei mir vermuten. Dabei sehen sie nicht, was ich wirklich fühle – nämlich: Mir geht’s okay. Deshalb musste ich zunächst eine Lektion lernen: Bevor die Leute mit mir kommunizieren können, müssen sie gedanklich mit dem klarkommen, was sie als mein Problem vermuten. Sie brauchen eine Weile, bis sie kapieren, dass mein Leben eigentlich ganz normal ist.“
Im Laufe der nächsten 30 Minuten spürt man, wie das Medikament seine Wirkung entfaltet. Das Zittern in seinem Bein schwillt zunächst noch einmal an, bevor es fast völlig zum Stillstand kommt. Er lächelt wieder und spricht mit der bilderreichen Eloquenz, die so typisch für ihn ist. „Es ist einfach das Gefühl, zur Normalität zurückzufinden. Es ist so, als bekämen die Suburbs, die äußersten Regionen einer Stadt, nicht mehr den nötigen Saft. Doch dann kommt die Elektrizität langsam wieder zurück -der Fernseher springt an, die Klimaanlage, die Beleuchtung. Und wenn alles wieder funktioniert, stellt sich diese zusätzliche Mobilität ein. Problematisch ist eigentlich nur der Moment, wo man noch steif und wie gefroren ist, während sich gleichzeitig diese kinetische Energie einstellt, dieses Schütteln und Zittern. Das ist eine harte Nuss.“
Er hält es dennoch für deplatziert, wenn Außenstehende zu viel Gewicht auf seine subjektive Befindlichkeit legen. „Offensichtlich beschäftigt viele die Frage, welche körperliche Erfahrung ich in diesem Moment mache“, sagt er. „Wohingegen mich viel mehr die Frage interessiert, was diese Erfahrung für mich bedeutet – also weniger der körperliche Aspekt als der emotionale, auch der erhellende Aspekt dieser Krankheit. Wenn sich der Nebel lichtet und das Zittern nachlässt, ändert das nichts an der Tatsache, dass ich noch immer der gleiche Fahrer bin, der ich vor fünf Minuten war. Nur der Wagen, in dem ich sitze, ist jetzt ein anderer. Es ist ein besseres Auto -und ich kann mich nun frei bewegen, statt eine vorgeschriebene Route nehmen zu müssen. Es ist keine Eisenbahn mehr, sondern ein Ferrari auf dem Highway. Nun ja, vielleicht nicht gleich ein Ferrari, aber zumindest ein Mustang.“
Die Achtziger waren gut zu Michael J. Fox, außerordentlich gut. „Vorher schauten die Mädchen weg, wenn ich sie nach der Uhrzeit fragte“, sagt er, „doch plötzlich konnte ich die Zeit vom Digitalwecker in ihrem Schlafzimmer ablesen.“ Erfolgserlebnisse gab es ebenso häufig wie Anlässe zu feiern -was in seinem Fall immer in einem Besäufnis endete.
Als Fox 17 war, erlaubte ihm sein gestrenger Vater überraschenderweise, die Highschool zu schmeißen und seinen Traum von der Schauspielerei zu verwirklichen. Der pensionierte Sergeant der kanadischen Armee fuhr seinen Sohn sogar die knapp 2.000 Kilometer von Vancouver nach Los Angeles. Nach drei Jahren mauer Mini-Rollen ging Fox dazu über, unbezahlte Rechnungen und Steuerbescheide ungeöffnet zu entsorgen. Als er ein allerletztes Vorsprechen für die geplante Fernsehserie „Familienbande“ bekam, hatte er bereits angefangen, seine verbliebenen Möbel zu verscherbeln, um noch ein paar Happen zu essen zu haben. Seine Eltern drängten ihn, nach Kanada heimzukehren und einen vernünftigen Job zu suchen.
Stattdessen bekam er die Rolle des Alex P. Keaton im späteren TV-Hit „Familienbande“ – und so ziemlich alles, was er sich sonst noch erträumt hatte. Eine Drehpause im Herbst 1984 nutzte er dazu, sich mehrere Lagen Latex ins Gesicht schmieren zu lassen, um bei „Teen Wolf“ mitzuspielen. Eines Tages saß Fox in voller Wolfsmontur auf einer Straße im kalifornischen Pasadena und trank einen Milkshake zum Lunch („Ich konnte nur flüssige Nahrung aufnehmen, weil sich sonst der gespritzte Schaum um meinen Mund aufgelöst hätte“), als zufällig Location-Scouts einer anderen Produktionsfirma auftauchten. Sie arbeiteten für einen Film, der von Steven Spielberg produziert wurde und „Zurück in die Zukunft“ heißen sollte. Eric Stoltz spielte den jugendlichen Protagonisten Marty McFly, Crispin Glover seinen Vater. „Ich kannte Crispin und dachte mir nur:,Scheiße, Crispin kriegt ’ne Rolle in einem Spielberg-Film, während ich hier in meinem Werwolf-Kostüm sitze und mit einem Strohhalm einen schlabberigen Shake trinken muss.“ Wenig später wurde Stoltz gefeuert und Fox angeheuert. Monatelang drehte er „Familienbande“ am Tag und „Zurück in die Zukunft“ in der Nacht. Nach Ende der Dreharbeiten war er felsenfest davon überzeugt, als Marty McFly eine Fehlbesetzung gewesen zu sein, doch plötzlich war er der Star eines der größten Blockbuster aller Zeiten.
Als seine Glückssträhne nicht abreißen wollte, entwickelte er eine ständig wachsende Panik, dass er irgendwann einmal für seinen Massel büßen müsse. Er war ein Kind der Arbeiterklasse – und sein neues Leben schien manchmal einfach nur surreal zu sein. Fox hatte allerdings auch frühzeitig gelernt, dass man mit Alkohol alle Minderwertigkeitskomplexe betäuben kann. Er hatte mit dem Saufen schon als Teenager in Kanada angefangen -nicht zuletzt, weil er unter seiner Körpergröße litt. Als Junge war er athletisch, attraktiv, charmant -aber eben auch winzig. „Ich war ein Homunkulus“, sagt er lachend und erzählt, dass er in seinem Ringer-Team nicht einmal 50 Kilo auf die Waage brachte. Drogen waren allerdings nie ein Problem für ihn, weder damals noch später. „Ich habe ein bisschen Pot geraucht, konnte aber nicht gleichzeitig rauchen und trinken, weil ich zu den Leuten zähle, die nur sechs Sekunden Vorwarnzeit haben: Ich habe sechs Sekunden Zeit, um mir klar zu werden, wo ich schlafen möchte. Und als echter Kanadier bin ich nun mal noch nie einem Bier begegnet, das ich nicht mochte.“
Ende der Achtziger versuchte er sich an einigen ernsthafteren Rollen (einem Rockmusiker in „Light of Day“, einem koksenden Yuppie in „Bright Lights, Big City“ und einem schuldbewussten Soldaten im Vietnam-Drama „Die Verdammten des Krieges“), drehte zwei weitere „Zurück in die Zukunft“-Folgen, verliebte sich, heiratete und hatte ein Jahr später, 1989, sein erstes Kind.
An einem Dienstagmorgen im November 1990 wachte er in einem Hotel in Gainesville/Florida auf und bemerkte trotz seines Katers (den er sich nach einem nächtlichen Besäufnis mit Woody Harrelson eingefangen hatte), dass irgendwas nicht stimmte: Der kleine Finger seiner linken Hand zuckte ohne ersichtlichen Anlass. Noch in Florida konsultierte er mehrere Neurologen, die ihm jedoch versicherten, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Es sollte fast ein Jahr – und einige weitere Symptome – dauern, bis er endlich die Wahrheit erfuhr. Und die beinhaltete eben auch, dass er in spätestens zehn Jahren nicht mehr arbeiten könne.
Nach der Geburt seines ersten Kindes hatte Fox einen Schlussstrich unter seinen glamourösen Hollywood-Lifestyle gezogen, doch nun fing er erneut mit dem Trinken an -diesmal allerdings allein und im Geheimen. „Ich wusste nicht, wie ich mit der Situation klarkommen sollte“, sagt er. „Es war einfach zu verlockend, sich einen anzutrinken, um der Realität nicht ins Auge sehen zu müssen
Aber ich hatte eine wundervolle Ehe, einen wundervollen Sohn -und ich hatte nicht vor, das alles zu verspielen.“ Seit 21 Jahren ist er nun trocken.
„Meine Nüchternheit ist jetzt volljährig und alt genug, sich einen Drink bestellen zu können.“ Das Verlangen nach Alkohol hat sich inzwischen bei ihm ohnehin in Luft aufgelöst: „Ich habe Zeiten, wo ich mein Gleichgewicht verliere, ich habe Zeiten, wo ich unsauber spreche, ich habe Zeiten, wo ich unabsichtlich gegen die Wand laufe, ich habe Zeiten, wo ich den Namen meines Gegenübers vergesse. Warum sollte ich diesen Zustand noch künstlich verlängern?“
Die Entziehungskur lieferte ihm auch das Werkzeug, um mit den Realitäten seiner Nervenkrankheit leben zu können. „Mein Glück steht im direkten Verhältnis zu meinem Vermögen, die Krankheit zu akzeptieren – und im umgekehrten Verhältnis zu meinen Erwartungen“, lautet eine seiner Maximen. Als er seiner Psychiaterin während der Therapie von seiner alten Befürchtung erzählte – dass er im Leben so viel Glück gehabt habe, dass er nun mit einer Ohrfeige des Schicksals rechnen müsse -, lächelte sie ihn nur an. „Michael“, sagte sie, „Sie haben Parkinson. Sie haben die Ohrfeige schon längst bekommen.“
Eine Woche später steht er in einer Küche, die man in den Silvercup-Studios in Queens nachgebaut hat, und unterhält sich mit den Mitgliedern seiner neuen Fernsehfamilie. Fox kennt sie zwar erst seit ein paar Wochen, ist aber trotzdem voll in seinem Element. „Die Handlung einer Sitcom in die Küche zu verlegen, mag technisch eine Herausforderung sein, ist inhaltlich aber genial. Diese Szenen, in denen sich die Wege aller Beteiligten überschneiden, erinnert mich einfach an ,Familienbande‘. Und ich mag die Vorstellung, dass ich in meiner ersten Sitcom einen Sohn spielte, dann einen Erwachsenen an seinem Arbeitsplatz -und nun einen schon etwas betagteren Vater zu Hause. Es ist ein schöner, in sich abgeschlossener Bogen.“
Als er zwischen den Aufnahmen auf einem der Regiestühle mit dem „Michael J. Fox Show“-Logo hockt und auf den Video-Monitor schaut, kommt seine neue Fernseh-Gattin Betsy Brandt (Marie aus „Breaking Bad“) vorbei, um hallo zu sagen. Wie auch Katie Finneran, die Fox‘ Schwester spielt, ist sie um einiges größer als Fox. Bei den Probeaufnahmen trug sie sogar hochhackige Stiefel – und war anschließend sicher, die Rolle abhaken zu können, nachdem sie eine Szene spielten musste, in der beide stehend miteinander sprachen.
„Ich habe ihnen klipp und klar gesagt, dass es mir nichts ausmacht“, sagt Fox. „Und selbst wenn’s das täte – größer werde ich dadurch auch nicht. Als ich ,Zurück in die Zukunft‘ drehte, hörte ich einmal folgenden Spruch: Einen klein geratenen Schauspieler stellt man auf eine Kiste -bei einem klein geratenen Filmstar müssen alle anderen in den Graben.“ Er macht eine Kunstpause. „Also, ich klettere gern auf eine Kiste.“
Am folgenden Abend trifft sich das gesamte Team in einer Eishockey-Halle in Manhattan. Man will hier eine Szene drehen, in der die Väter von ein paar Eishockey-Kids selbst zum Schläger greifen. Fox sitzt auf der Tribüne -seinen Schläger in der einen, das Drehbuch in der anderen Hand. Er ist sein Leben lang Eishockey-Fan gewesen und kann’s gar nicht erwarten, endlich selbst auflaufen zu können. Unter dem Vorwand, „etwas üben“ zu wollen, zieht er sich die Schlittschuhe an und geht auf die Eisfläche -nur im T-Shirt und ganz ohne Kopfschutz. Er fängt an, seine Runden zu ziehen, während ihn einige Crew-Mitglieder mit offenem Mund verfolgen. Er bewegt sich mit erstaunlicher Eleganz und umkurvt sicher Kamera und Scheinwerfer, die in einer Ecke der Eisfläche aufgebaut wurden. Seine harmonische Motorik ist natürlich eine neurologische Fata Morgana: Die fließende Bewegung ist für sein Hirn nicht so ermüdend wie normales Gehen oder das Zuknöpfen eines Hemdes. Doch wenn man ihn mühelos übers Eis gleiten sieht, glaubt man für einen Moment fast an Wunder.
Bis er in einer Kurve ins Stolpern kommt und stürzt. Er landet hart auf dem Rücken. Für den Bruchteil einer Sekunde halten alle Anwesenden den Atem an. Doch Fox rappelt sich umgehend hoch und ist anscheinend unverletzt. „Mein Arsch hat den Sturz abgefedert“, sagt er später. Er greift sich einen Schläger, geht wieder aufs Eis zurück und treibt einen Puck vor sich her. Nach zwei Fehlversuchen donnert er ihn hart in die Mitte des Netzes. „Aber zwei Mal daneben“, sagt er mit sichtlicher Frustration.
Von seinem Nervenleiden abgesehen, ist Fox bester Gesundheit -dank Pilates, einer ausgewogenen Diät, langen Spaziergängen mit seiner Dogge Gus und regelmäßigen Besuchen des Golfplatzes. Sex, behauptet er, sei kein Problem, auch wenn „man vorher nie weiß, wer für die Bewegungsabläufe zuständig ist“. Nach der „Hiobsbotschaft der ersten Diagnose wusste ich jedenfalls, dass ich etwas für meine Gesundheit tun musste“, sagt er. „Mir ist bewusst, dass ich mich auf dünnem Eis bewege und wachsam sein muss. Ich habe Menschen gesehen, die sich gehen ließen und prompt die Quittung bekamen. Auch wenn ich damit noch keine praktische Erfahrung gemacht habe, kann ich mir doch lebhaft vorstellen, wie es ist, wenn man sich einfach sacken lässt. Denn wenn die Symptome kommen, möchte man am liebsten in sich hineinkriechen, sich kleinmachen -und wenn man sich aufgibt, wird genau das eintreten. Man verbindet Parkinson immer mit den unkontrollierbaren Bewegungen, aber der finale Zustand besteht nun mal darin, völlig unbeweglich zu sein. Und je mehr ich mich gehen lasse, desto schwerer wird es mir fallen, diese Entwicklung rückgängig zu machen.“
Als Fox 2000 seine Parkinson-Foundation ins Leben rief, verkündete er mehrfach, dass die Krankheit innerhalb eines Jahrzehnts heilbar sein werde. „Was kein Wunschdenken war“, wie Debi Brooks, die Mitbegründerin der Stiftung, betont. „Zum damaligen Zeitpunkt gab es diverse Wissenschaftler, die dieses Ziel für realistisch hielten.“ Doch die Behandlungsmethoden, die damals am vielversprechendsten schienen, konnten die optimistischen Erwartungen nicht erfüllen -was für die Foundation der Anlass war, neue Forschungsansätze zu forcieren. „Es ging nie darum, ihm persönlich zu helfen“, so Brooks. Fox habe immer darauf gedrängt, theoretische Grundlagenforschung zu betreiben, auch wenn sie erst in weiter Zukunft Früchte tragen würde. „Es hieß nie: ,Schön, aber was soll das, wenn es nicht mein Leben rettet?'“
Der Verlauf der Krankheit ist von Patient zu Patient verschieden, und nachdem Fox alle Prognosen Lügen gestraft hatte, halten sich seine Ärzte mit Aussagen lieber zurück. Er selbst schwört, dass er sich keine Sorgen mache – ja nicht mal einen Gedanken an seine Zukunft verschwende. „Diese kleinen Lebensweisheiten, die ich gerne mal absondere, sind hart erkämpfte Einsichten“, sagt er, „und eine davon besagt: Wenn man sich den denkbar schlechtesten Ausgang vorstellt -und er tritt dann tatsächlich ein -, dann hat man mit diesem Erlebnis zwei Mal gelebt. Shit happens, ob man ihn nun erwartet oder nicht. Es hat also keinen Sinn, sich darauf vorbereiten oder einstellen zu wollen.“
Wie der Zufall es will, machen sich just in diesem Moment die Symptome stärker bemerkbar als gewöhnlich. „Schlimmer als jetzt wird’s eigentlich nie“, sagt er und beißt mit schmerzverzerrtem Gesicht die Kiefer zusammen. Sein Körper scheint sich gleichzeitig zu verkrampfen und zu schütteln – als wäre er in ein örtlich begrenztes Erdbeben geraten. Sein rechter Arm kommt überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Er steht auf, holt sich eine weitere Pille und läuft hin und her, um sich ein wenig aufzulockern. „Ich habe festgestellt, dass Bewegung mir etwas hilft“, sagt er.
Leicht vornüber gebeugt läuft er im Zimmer auf und ab, redet dabei aber weiter. „Auch dies sind Minuten, die mir lieb und kostbar sind“, sagt er. „Unterm Strich muss man festhalten, dass mein Leben durch dieses Scheiß-Ding eigentlich besser geworden ist. Weil ich nun Zutritt zu Erkenntnissen und Wahrheiten habe, die mir vorher verwehrt blieben. Weil ich nun diese Augenblicke erlebe, in denen ich loslasse und sage:,Fuck it!'“
Er läuft noch immer rastlos durchs Zimmer. „Was ich in meinem ersten Buch schrieb, trifft noch immer zu: Wenn ich in ein Zimmer käme, in dem Gott sitzt oder Buddha oder Bill Gates oder wer immer in der Lage wäre, meine Krankheit zu heilen: Ich glaube, ich würd’s nicht machen. Weil ich dann nicht mitgemacht hätte, was ich mitgemacht habe, weil ich nicht die Erfahrungen gemacht hätte, die ich gemacht habe -nur um zu der Erkenntnis zu kommen, dass ich mein Ding immer noch durchziehen kann.“ Er fixiert mich mit seinen ungewohnt funkelnden Augen. „Letzten Endes“, sagt er, „bringe ich noch immer eine Show auf die Bühne. Was also sollte mir fehlen?“