Der große Outlaw: Leben und Tod von Kris Kristofferson
Kris Kristofferson sah es als seine Verantwortung, in seinen Songs die Wahrheit zu sagen.

Er war nicht nur einer der originellsten und prägendsten Country-Sänger, sondern einer der größten Singer/Songwriter aller Zeiten. Mit Hits wie „Me and Bobby McGee“ und „Sunday Mornin‘ Comin‘ Down“ wurde Kris Kristofferson weltbekannt, zum Referenzpunkt und Idol für berühmte Kollegen und viele Generationen an Musikern. Wir widmen uns heute dem großen Outlaw der Country-Musik und werfen einen Blick auf Leben und Tod.
Kris Kristofferson: Die Anfänge
Kris Kristofferson wurde am 22. Juni 1936 in Brownsville, Texas, als erstes Kind seiner Eltern Mary Jo und Harlan Kristofferson geboren. Sein Vater arbeitete als Offizier in der US-Armee, seine Mutter war eine engagierte Hausfrau und Musikerin. Seine Kindheit war von häufigen Umzügen und einer streng militärischen Erziehung geprägt. Kristofferson begann sich früh für Musik zu interessieren, seine ersten Einflüsse waren Johnny Cash und Hank Williams. Das Gitarrespielen erlernte er, indem er als Jugendlicher die alten Country-Platten seiner Eltern hörte und versuchte, die Melodien nachzuspielen.
Durch den Job seines Vaters zog Kristoffersons Familie oft um. Er verbrachte einige Jahre in San Mateo, Kalifornien, und besuchte dort die Schule. Nach dem Abschluss der San Mateo High School im Jahr 1954 schrieb er sich am Pomona College ein, um Schriftsteller zu werden. In dieser Zeit schrieb er preisgekrönte Essays, darunter „The Rock“ und „Gone Are the Days“, die in The Atlantic Monthly veröffentlicht wurden.

1958 schloss Kristofferson das Pomona College mit einem Bachelor of Arts in Literatur und summa cum laude ab. Per Stipendium kam er nach Oxford, wo er am Merton College studierte und boxte. Außerdem spielte er Rugby – und begann, eigene Lieder zu schreiben. Einige davon nahm er auch auf, nannte sich Kris Carson und hatte sogar einen Manager. Dass er Sänger werden würde, war allerdings nicht sein Plan A – vielmehr dachte er daran, als Schriftsteller sein Geld zu verdienen.
Vom College in die Army
Seine Musikkarriere war anfangs nicht erfolgreich. Nachdem er das College abgeschlossen hatte – er graduierte in Englischer Literatur – zog es ihn, frisch verheiratet mit Frances Mavia Beer, in die Armee. 1960 trat Kristofferson in die US-Armee ein, nachdem er Oxford abgeschlossen hatte. Dort wurde er zum Hubschrauberpiloten ausgebildet und trainierte in Fort Rucker, Alabama. Er besuchte auch die Ranger-Schule. In den frühen 1960er Jahren verdiente er sich sein Geld als Hubschrauberpilot in Deutschland. Eine Lehrstelle an der Militärakademie West Point lehnte er 1965 ab, da er sich der Musik widmen wollte.

Er zog ins Musikmekka Nashville. Dort versuchte er, Kontakte zu knüpfen. „Als ich nach Nashville kam, nannten die Leute es immer noch ‘shit-kicking music’“, erzählte er in einem Interview mit dem Journalisten Paul Sexton. „Ich habe mich in dieses ganze Leben verliebt; es war so anders als die militärische oder akademische Welt. Es waren Menschen, die wirklich etwas schufen, sich jede Nacht gegenseitig umhauen und eine Woche am Stück durchmachten. Damals nannte man es ‘roaring’“, so Kristofferson weiter.
Kristofferson, der Hausmeister, trifft Johnny Cash
Er verdiente seinen Unterhalt mit mehreren Blue-Collar-Jobs – unter anderem war er Hausmeister bei Columbia Records. Dort lernte er Johnny Cash kennen. Daraus entstand eine der legendären Geschichten der Rockmusik. Er selbst erzählte sie in einem Interview (siehe Video unten) so: „Einmal wäre ich fast gefeuert worden, weil ein paar Songschreiber in die Session gestürmt sind und ihm ein Gospelalbum andrehen wollten. Und aus irgendeinem Grund beschuldigte mich die Frau, die Sekretärin des Produzenten, sie reingelassen zu haben, und versuchte, mich feuern zu lassen. Dann kam mein Chef zu mir und sagte: ‘Ich denke, du solltest heute Abend nicht zu Johns Session gehen’, was mir das Herz brach, denn ich lebte für diese Aufnahmesessions. Aber ich verstand es“, so Kristofferson.
Cash aber zeigte sich überzeugt: Er wollte Kristofferson dabei haben. „Ich versteckte mich im Gewölbe des Aufnahmestudios und löschte dort Bänder oder machte irgendeine Art von Arbeit“, erzählte Kristofferson. „Er sagte: ‘Ich habe gehört, du kommst nicht zu der Session.’ Ich sagte: ‘Nein, ich habe hier unten eine Menge Arbeit zu erledigen. Ich kann nicht.’ Er sagte: ‘Nun, ich wollte dir nur sagen, dass ich keine Aufnahmen machen werde, bevor du nicht nach oben gekommen bist.’“ Wie die Geschichte ausging, wissen wir: Die beiden wurden nicht nur Kollegen, sondern auch gute Freunde. „Er ist immer für den Underdog eingestanden – und genau diesen Standard wollte ich auch erreichen.“
Kris Kristofferson: Seine Musikkarriere
Für Kristofferson war das eine schicksalhafte Begegnung. Cash war nicht nur ein Gönner, sondern auch jemand, der felsenfest an Kristofferson glaubte. Kristoffersons Musikkarriere nahm Fahrt auf. 1970 veröffentlichte er das Album Kristofferson, auf dem der Hit „Me and Bobby McGee“ zu hören war, der später von Janis Joplin interpretiert wurde. Kristofferson wurde zum Fixstern im Americana- und Countryhimmel.
Er prägte den Outlaw-Country, gab dem Genre eine neue Richtung und eine eigene Poesie. In den 1970er Jahren nahm er mehrere Studioalben auf, darunter Silver Tongued Devil and I (1971) und Jesus Was a Capricorn (1972), die beide zu seinen bekanntesten und erfolgreichsten Werken zählen.

Damit aber nicht genug: Neben seiner Musikkarriere war er auch als Schauspieler aktiv und erfolgreich. Er spielte etwa in A Star Is Born (1976) an der Seite von Barbra Streisand (gerade, als seine Musikkarriere etwas abkühlte), wofür er mit einem Golden Globe ausgezeichnet wurde. „Als ich Kris das erste Mal im Troubadour Club in L.A. auftreten sah, wusste ich, dass er etwas Besonderes war. Barfuß und auf seiner Gitarre klimpernd, schien er die perfekte Wahl für ein Drehbuch zu sein, das ich gerade entwickelte und das schließlich zu A Star Is Born wurde“, erinnerte sich Streisand in einem Nachruf auf Kristofferson.

Zu den weiteren Filmen, in denen er mitwirkte, gehören Pat Garrett and Billy the Kid (1973, Regie: Sam Peckinpah), Blume in Love (1973) und Alice Doesn’t Live Here Anymore (1974). Auch seine Rolle in Lone Star (1996) und der Blade-Trilogie (1998–2004) trugen weiter zu seiner Bekanntheit bei. „Als meine eigene Musikkarriere abkühlte, war ich ein bedeutender Filmstar. Ich hätte nie gedacht, dass ich in ein paar Jahren mit Barbra Streisand in A Star Is Born spielen würde und meine ganze Band auch mit dabei wäre, und dass ich Filme mit Martin Scorsese und Sam Peckinpah machen würde – mit Leuten, die ich aus der Ferne bewunderte. Es war eine ziemlich gute Fahrt, lange Zeit“, erzählte er dem „Guardian“.
Auch die 1980er-Jahre waren erfolgreich für Kris Kristofferson. Er war am Höhepunkt seines Ruhms angekommen, ein absoluter Superstar. Auch die 1980er-Jahre waren erfolgreich für Kris Kristofferson. Er blieb eine zentrale Figur im Country- und Americana-Genre und setzte seine Karriere mit mehreren Alben fort, darunter The Silver Tongued Devil and I (1981) und Repossessed (1986).
Supergroup: The Highwaymen
1985 gründete er, gemeinsam mit Johnny Cash, Willie Nelson und Waylon Jennings, die Country-Supergroup The Highwaymen. Die Band nahm insgesamt drei Alben auf: The Highwaymen (1985), Highwayman 2 (1990) und The Road Goes On Forever (1995). Sie tourte viele Jahre erfolgreich durch die Welt und wurde zu einer der bekanntesten Country-Gruppen aller Zeiten.
An dieser Stelle wollen wir uns an ein legendäres Interview erinnern, bei dem der Reporter recht unhöflich fragte: „Warum arbeitet ihr zusammen? Ein Kritiker, wahrscheinlich auch mehrere, haben angemerkt, dass keiner von euch mehr allein genug Publikum anzieht und es deshalb vier von euch braucht.“ Kris Kristofferson antwortete darauf mit: „Wie freundlich von Ihnen, das zu erwähnen.“ Während Cash die Frage widerlegte, meinte Jennings nur, halb im Spaß: „Noch so eine Frage und wir brennen ihr Haus nieder.“ Die Stimmung unter den Country-Legenden war einmal mehr bestens.
Kristofferson, der Outlaw
Kristofferson stand für Outlaw-Country. Poetisch, aber definitiv politisch. „Three Chords and the truth“, wie es heißt. „Seitdem ich mich diesem Weg verschrieben habe, dachte ich, es sei meine Verantwortung, die Wahrheit so zu sagen, wie ich sie sehe“, erzählte er einst dem Guardian. „Manchmal machte mich das unmarktfähig, besonders in der Country-Musik. Aber ich schätze, wenn man lange genug dabei bleibt, denkt man, man hat das Recht, alles zu sagen, was man glaubt, und glücklicherweise habe ich das immer versucht.“
Kris Kristofferson: Seine Familie
Kristofferson war dreimal verheiratet: mit Frances „Fran“ Mavia Beer (1961–1969), mit der Sängerin Rita Coolidge (1973–1980) und mit Lisa Meyers (1983 bis zu seinem Tod). Er hatte insgesamt acht Kinder aus seinen Ehen und Beziehungen.
Der Tod von Kris Kristofferson
Kristofferson starb am 28. September 2024 im Kreise seiner Familie in seinem Haus auf Maui. Todesursache wurd ekeine nbekannt gegeben. Kristofferson hatte aber schon vor einiger Zeit offen über seinen Gedächtnisverlust und seine Borreliose-Erkrankung gesprochen. Der Musiker wurde 88 Jahre alt. „Was für ein großer Verlust, was für ein großartiger Songwriter, was für ein großartiger Schauspieler, was für ein großartiger Freund“, schrieb seine Kollegin Dolly Parton, mit der er oft aufgetreten war. „Ich werde dich immer lieben.“