Der Glückspilz
Nach 23 Jahren und vielen Hits für andere hat Albert Hammond wieder ein eigenes Album aufgenommen
Wahrscheinlich ist Albert Hammond der glücklichste Mensch der Welt. In den letzten 23 Jahren hat er sich um seine Familie gekümmert und nebenbei viel für andere Musiker geschrieben und produziert. Die Tantiemen von „It Never Rains In Southern California“, „The Free Electric Band“ und vielen anderen Hits flössen, er hatte keine finanziellen Sorgen. Er war verliebt, versorgt, zufrieden.
Aber dann nervte ihn sein Sohn, immer und immer wieder. Albert Hammond Jr. ist Gitarrist bei den Strokes, vor allem aber ein Fan seines Vaters. „Er sagte seit Jahren, daß ich mal wieder meine eigenen Songs aufnehmen soll, nachdem ich so lange immer nur für andere gearbeitet habe. Ich erwiderte ständig: Aber Albert, das interessiert doch keinen! Wer erinnert sich schon noch an mich?“
Und dann hat er’s doch getan: Nach 23 Jahren Pause hat Hammond wieder ein Album aufgenommen, „Revolution Of The Heart“. Die meisten Lieder schrieb er mit Leo Sayer; es sind entspannte, leichte Popsongs, zeitlos wie eh und je. Der Albumtitel paßt zu den Themen: Es gibt natürlich rührende Liebeslieder („The Sweetest Thing“), aber auch eine Menge Sozialkritik („Not In My Name“, „There Ain’t No Flies On Me“) und ein paar Songs, in denen sich Hammond über sein eigenes Leben wundert („Dream“, „Restless Years“). Er hat anfangs gar nicht damit gerechnet, daß dieses Album tatsächlich irgendwann erscheint „Wer gibt denn einem 61jährigen einen Plattenvertrag? Ich mag keine Majors, einer davon hat meine Karriere zerstört. Drei Alben hielten sie zurück, weil sie fanden, da gäbe es keine Hits. Bis Leo Sayer dann mit meinem , When I Need You‘ einen hatte. Da ging plötzlich wieder was. Aber ich war so wütend, daß ich nie wieder zu einem Major gehen würde. Außerdem wollte ich alles so machen, wie ich es mir vorstellte.“
Deshalb gibt es hier keine pseudomodernen Beats oder so, keine aufwendige Produktion. Es gibt einfach Lieder, unprätentiös eingespielt Hammond läßt sich von der eigenen Vergangenheit nicht beeindrucken: „Ich konkurriere weder mit dem, was zur Zeit passiert, noch mit dem, was ich bisher gemacht habe. Wenn ich dauernd an die Sachen denken würde, die ich für andere geschrieben habe… da wird man ja verrückt“
Denn: Albert Hammond hat mehr als 360 Millionen Platten verkauft. Er hat „The Air That I Breathe“ für The Hollies geschrieben, „Don’t You Love Me Anymore“ für Joe Cocker, „Nothing’s Gonna Stop Us Now“ für Starship, „I Don’t Wanna Lose You“ für Tina Turner, „One Moment In Time“ für Whitney Houston. Er hat noch viel mehr komponiert und produziert für Johnny Cash, Art Garfunkel, Diana Ross, Roy Orbison, auch Julio Iglesias. Er war zufrieden als Produzent und Songschreiber – eben bis der Junior ihn anstachelte. Wahrscheinlich wollte er sich dafür bedanken, daß ihn der Vater so unterstützte, als die Strokes noch unbekannt waren. „Er hat mich damals gefragt, ob er mit der Universität weitermachen oder sich auf die Musik konzentrieren soll. Er hat drei Wochen gebraucht, um mich anzurufen, weil er so viel Angst hatte. Aber ich wußte ja von der Band – ich habe ihnen schließlich oft genug die Taxis und Hotels bezahlt! Jedenfalls meinte ich: Zur Uni kannst du auch später gehen, kümmere dich jetzt um die Musik! Offensichtlich war ich der einzige Vater, der so dachte…“
Der Senior wußte es aus eigener Erfahrung besser: Er hat sich auch mühsam emporgearbeitet. Hammond muß laut loslachen, als er an die Verleihung des „Ivor Novello Award“ denken muß, den er für sein Lebenswerk bekam. „Ich stand da in diesem feinen Hotel in London und sagte: Wißt Ihr was, vor 25 Jahren war ich hier noch ein Kellner! Also, Ihr Kellner: Haltet durch! Wascht Teller, schrubbt Böden. Aber gebt nicht die Musik auf. Ich habe das nie getan.“ Er hat sich sein Glück wirklich verdient.