Der genialische britische Schauspieler und Schriftsteller STEPHEN FRY versucht sich an einem modernisierten Remake des Romans „„Der Graf von Monte Christo“
Der junge Ned Maddstone sieht gut aus, ist ein Cricket-As, grundsympathisch, intelligent, stammt aus ehrenwertem Haus und weiß sich in den Upper Class-Kreisen souverän zu bewegen. Ein Prachtkerl für die meisten. Ein arroganter, snobistischer, selbstgewisser Drecksack für ein paar neidische Mitschüler an dem Oxforder St. Marks-College: den klugen, aber unter seiner proletarischen Herkunft leidenden Ashley und den reichen, stets besoffenen resp. bekifften und dementsprechend grützdummen Rufus. Gordon komplettiert das Triumvirat, ein vollwaiser Amerikaner, der von seinem englischen Onkel aufgenommen wird, sich in seine Cousine Portia verliebt, die nun aber nur Augen hat für, ja, eben für Ned!
Die drei bündeln ihre Hasslatten und holen aus zum fürchterlichen Schlag. Und was als schlechter Schülerstreich beginnt, endet in der Katastrophe. Sie schmuggeln ihm Haschisch in die Jacke und alarmieren die Drogenfahndung. Die findet einen Zettel mit einer geheimen IRA-Losung, den ihm sein Käpt’n auf dem Segeltörn während der letzten Ferien, kurz vor seinem plötzlichen Tod, zugesteckt hat und den Ned an eine bestimmte Person überbringen soll. Der CI5 wird eingeschaltet, Ned verhört, und wie es das von Fry – wie stets so auch in seinem neuen Roman „Der Sterne Tennisbälle“ (Aufbau-Verlag, Berlin 2001,391 S. 20,41 Eur) – gehörig auf Kolportage getrimmte Schicksal will, ist der Zettel ausgerechnet an die Mutter des ermittelnden Agenten gerichtet, die all die Jahre eine inaktive IRA-Terroristin gewesen ist.
Um seine Mutter zu schützen, vor allem aber um seine eigene Karriere nicht zu gefährden, lässt Agent Oliver Delft den Abiturienten verschwinden, das heißt in die geschlossene psychiatrische Anstalt des Doktor Mallo einliefern, wo er mit Psychopharmaka und, wenn die nicht mehr helfen, auch schon mal mit brutaler Gewalt ruhiggestellt wird.
Und wer bis hierhin noch nichts gemerkt hat – der Roman ist spannend genug, so dass man es nicht unbedingt merken mussl -, bekommt jetzt einen Wink mit dem Zaunpfahl, ach, eigentlich mit dem ganzen Gatter: Ned trifft auf den genialen Universalgelehrten „Babe“ Fräser, wird vom ihm unterrichtet, lernt unter anderem acht Sprachen und flüchtet schließlich nach beinahe 20 Jahren, als der alte Babe stirbt, in dessen Sarg von der Insel.
Na? Richtig! Fry versucht sich hier an einer Adaption bzw. Aktualisierung von Alexandre Dumas‘ „Der Graf von Monte Christo“. Die Handlung wird vom Frankreich Ludwigs XVIII. ins zeitgenössische England der 80er und 90er Jahre verlegt und folglich den sozialen und historischen Gegebenheiten angepasst, aber geändert hat sich nicht viel, wie Fry uns glauben machen will. Die Drogen sind härter geworden, die Geschäfte globaler und virtueller, aber die Perfidie der Menschen ist dieselbe geblieben. Ebenso die Durchschlagskraft und Skrupellosigkeit der Geheimdienste. Damals konnte man unliebsame Personen wegsperren, indem man sie als Bonapartisten denunzierte, zwei Jahrhunderte später nennt man sie eben IRA-Sympathisanten. Aber man sieht sich immer zweimal, nicht nur im Leben, auch in der Kolportageliteratur: Und wehe dem, der die Erbarmungslosigkeit des Rächers zu spüren bekommt, der nichts mehr zu verlieren, weil er das Leid eines ganzen Menschenlebens schon hinter sich hat!
Wer Spaß an literarischen Detektivspielen und intertextuellem Rätselraten hat, sich vielleicht sogar die Mühe macht, das Original gegenzulesen, der kommt hier ebenfalls auf seine Kosten, stößt mithin auf eine ganze Reihe von mehr oder weniger witzigen Anspielungen, Zitaten und Kontrafakturen, angefangen – und wirklich nur angefangen! – bei den Namen.
Je nun, mich langweilt das eher, und so kann einen am Ende dieser furios erzählten, intelligenten, bildungstrunkenen Scharteke doch auch ein wenig Ernüchterung überkommen: Der Plot ist und bleibt nun einmal abgekupfert! Jawohl!