Der Geist von Nashville
ALS VALERIE JUNE klein war, sang sie in Kirchen. Schwarzen und weißen, traditionellen und modernen, solchen in Städten und solchen auf dem Land. June sang den Gospel auf jede Art, und hat so ihre eigene Stimme gefunden. Die Karriere der Sängerin aus Humboldt, Tennessee nahm erste Formen an, als sie gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann Michael Joyner die Band Bella Sun gründete. Doch als die Ehe zerbrach, stand June allein da. „Ich hatte immer nur mit meiner Stimme komponiert und mich auf andere verlassen, etwas dazu zu spielen. Mich selbst auf der Gitarre begleiten zu lernen, war ein harter Weg.“
June hat viel Südstaaten-Stolz im melodischen Auf und Ab ihrer Stimme und sagt „inithäng“ statt „anything“. Ihr Vater ist ein Konzertpromoter und brachte ihr Gospel, Blues und Soul nahe – aber auch einen starken Willen, sich nicht von Widerständen aufhalten zu lassen. „Jeder Tag beginnt mit einem weißen Stück Papier -und dann latschen Leute drauf und machen es dreckig“, sagt June, „dann musst du kämpfen und etwas Gutes aus der schlechten Energie machen. So geht es mir jeden Tag – ich glaube, so geht es jedem. Auf unserem Weg liegen Steine, und wir müssen lernen, das Gewicht zu tragen und uns mit ihm anzufreunden. Manchmal brauchst du Hilfe, das Gewicht zu tragen, manchmal schaffst du es allein. Es macht dich stärker, und schließlich wirst du daran wachsen.“
So erklärt sich der Titel ihres Debütalbums „Pushin‘ Against A Stone“. June nahm es gemeinsam mit Dan Auerbach von den Black Keys auf, der um Junes einfache Lieder den gewohnten Ultra-Vintage-Sound zwischen Blues, Country und Soul kreierte. Die natürlich wahnsinnig geschmackvolle Produktion konkurriert manchmal etwas mit der Musik der Künstlerin -bislang hat June ihre Lieder allein zu Gitarre, Ukulele und Banjo aufgeführt, das kann man hören.
Aber das ist nur eine Randbemerkung, denn die Platte ist toll. June hat eine eigenwillige Art, ihr Instrument zu spielen und eine ebenso eigenwillige Art, zu singen. Dazu sind ihre Kompositionen nicht bloß durchdeklinierte Standards, sondern haben Melodien und Rhythmen, die eine Spur anders sind als normalerweise – das ist der Nährboden für große Musik. „Ich bin eine Stunde von Memphis und zwei Stunden von Nashville aufgewachsen, was soll ich da schon für Musik machen“, scherzt June. „Für mich ist das eh alles eins. Der Blues, der Country, der Soul – mir geht es eher um starke Charaktere als Musikrichtungen. Maybelle Carter – die ist es. Sara Carter – die ist es. Elisabeth Cotton – die ist es. Wenn ich etwas vom Geist dieser Frauen bewahren kann, habe ich viel erreicht.“