Der französische Filmemacher Jean-Marie Straub ist tot
Gemeinsam mit seiner Partnerin Danièle Huillet drehte er an die 30 Filme – alle davon nonkonformistisch bis ins Mark.
Der französische Filmemacher Jean-Marie Straub ist am Sonntag (20. November) im Alter von 89 Jahren in seiner Schweizer Wahlheimat am Genfer See gestorben. Die Nachricht wurde vom nationalen Schweizer Filmarchiv Cinémathèque suisse bestätigt.
Von Metz über Paris nach München-Schwabing
Geboren wurde Straub am 8. Januar 1933 in Metz. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht lebte er einen Teil seiner Kindheit unter deutscher Besatzung. In jener Zeit zwang man ihn, in der Schule deutsch zu lernen. Als junger Mann arbeitete er nach dem Krieg zunächst in einem Filmklub, 1954 ging er schließlich nach Paris. Dort begegnete er nicht nur seiner Partnerin Danièle Huillet, sondern traf auch auf mehrere Nouvelle-Vague-Regisseure – darunter Jean-Luc Godard, François Truffaut und Claude Chabrol. Lange hielt es ihn nicht in seiner Hauptstadt: Um dem Dienst an der Waffe im Algerienkrieg zu entgehen, siedelte er 1958 nach Deutschland über. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Danièle Huillet drehte er vier Jahre darauf seinen ersten Kurzfilm „Machorka-Muff“. Von nun an arbeiteten die beiden mehr als dreißig Jahre zusammen.
Nonkonformistisch bis ins Mark
Die überwiegend linkskritischen Filme lassen sich durch Minimalismus und Kargheit charakterisieren – Kritiker titulierten sie als emotionslos. Die Konventionen des Kinos der Massen lehnten Straub und Huillet ab, folgerichtig verzichteten sie meist auf professionelle Schauspieler. Statt sich dem Kommerz zu beugen, übersetzten sie literarische Vorlagen von Schriftstellern wie Franz Kafka, Heinrich Böll und Friedrich Hölderlin auf die große Leinwand. Ihr wohl bekanntester Film „Chronik der Anna Magdalena Bach“ zeichnet wichtige Stationen der Biografie von Johann Sebastian Bach in Form von Tagebuchberichten nach. In den Sechzigern lebte das Regie-Duo und Liebespaar in München-Schwabing – und verlegten dort die Grundsteine für den Neuen Deutschen Film.
Auf der linken Extreme
Immer wieder haben die bekennenden Marxisten auch für Kontroversen gesorgt. Der Vorspann zu „Moses und Aron“ aus dem Jahre 1974 enthielt etwa eine Widmung an den Kameramann und RAF-Terroristen Holger Meins. Im September 2006 kam es bei den Filmfestspielen von Venedig zu einem weiteren Eklat: Für ihren Film „Quei loro incontri“ wurde Straub und Huillet ein Sonderpreis für die „Erfindung filmischer Sprache in ihrem Werkganzen“ verliehen. In Vertretung des abwesenden Paares las einer der Schauspieler eine von Straub verfasste Botschaft vor. Solange es den amerikanischen, imperialistischen Kapitalismus gebe, könne es nie genug Terroristen in der Welt geben, hieß es darin. Nach mehr als 30 gemeinsam realisierten Filmen setzte Jean-Marie Straub das Werk nach Danièle Huillets Tod fort. Dabei entstanden annähernd 20 weitere Filme, alle in Zusammenarbeit mit Barbara Ulrich.