Der Fluch der späten Geburt
Es muß deprimierend sein, gerade den 18. Geburtstag im Krankenhaus verbringen zu müssen. Aber nach diesem Autounfall war Adam Cohen froh, seine Volljährigkeit überhaupt erleben zu können, damals im Sommer ’90 auf Guadeloupe. Über sechs Monate wachte der Vater am Bett des Filius, der mit demolierten Innereien und reichlich gebrochenen Knochen an das selbige gefesselt war. „Er kam fast jeden Tag, las mir aus Zeitungen und Büchern vor – und vor allem: Er öffnete sich.“ Ohne das frühe Rendezvous mit der eigenen Sterblichkeit wären Beziehung und Vertrauen „wohl nie in dieser Art“ gewachsen, sagt der Sohn von – genau – Leonard Cohen.
Noch ein Vater, noch ein Sohn also. Wobei die künstlerischen Erbschaften – nach all den Jakobs (Dylan) und Jeffc (Buckley) dieser Welt eigentlich kein Thema mehr sind, das größeren Neuigkeitswert besäße als die Stammhalterfrage auf einem gut geführten Bauernhof. Und doch reizt sie immer noch, die Frage nach dem schwierigen Balance-Akt: Wie persönliche Nähe gewinnen und dabei doch künstlerische Distanz halten? Und wie mit den Erwartungen derer umgehen, die im Jüngeren nur das musikalische Abziehbild des Erzeugers erkennen wollen?
Heute, sagt Cohen junior, mache ihm der übermächtige Schatten „keine Angst mehr“. Und gibt sich der süßen Hoffnung hin, daß „die Leute mit mir über meine Arbeit reden wollen“. Und nicht länger nur über den berühmten Papa.
Das Ringen um die eigene Identität teilte Adam lange mit einem anderen Sohn von Rang und Namen: Chris Stills (Vater: Stephen) besuchte mit ihm die High School in Paris, anschließend gründeten sie in New brk eine Band – für Cohen jetzt rückblickend das letzte Mosaikstück auf dem Weg zur „eigenen Stimme“. Denn „ich experimentierte zum letzten Mal mit einer Ästhetik, die nicht wirklich meine war. Uns wurde klar, daß wir nicht zusammenarbeiten können, weil Chris die Fahne des Rock’n’Roll weitertragen wollte – ich aber die des urban contemporary folk. Und weil wir uns nach wie vor mögen und schätzen, gingen wir lieber getrennte Wege, anstatt öffentlich Ego-Schlachten auszutragen.“ Daß Stills (mit dem Album „100 Year Thing“) und Cohen jetzt fast gleichzeitig debütieren, und das sogar bei den Plattenfirmen ihrer Väter, ist eine hübsch ironische Fußnote der Popgeschichte.
Aber wie klingt er denn nun, unser junger, vielgereister und zur Kreativität erzogener Cohen, der sich mit seinem Vater auch heute noch ständig austauscht und voller Selbstzweifel zwei Jahre mit seinem Ersding^4dlam Cohen“ herumquälte?
Sowenig das Gesicht mit den warmen, schmalen Augen dem Profil des Vaters entspricht (da hat wohl eher „Suzanne“, die von Leonard im gleichnamigen Song verewigte Mutter Pate gestanden), sowenig legt der expressive Gesang im ausproduzierten Songwriter-Pop Verwandtschaften nahe. Allenfalls die autobiographische Unverblümtheit, mit der Cohen junior die klassische menage ä trois („Teil Me Everything“) und bisexuelle Begehrlichkeiten („Sister“) aufrollt, weckt gewisse, nun ja, „familiäre“ Erinnerungen. Fürchtet er nicht, private Beziehungen aufs Spiel zu setzen, wenn sich Freunde so explizit in seinen Songs tummeln? Und das nicht gerade mit ihren erfreulichsten Seiten? „Gute Frage. Es kamen tatsächlich schon Freunde, die mir sagten: ,Mein Gott, hätte ich nie und nimmer gedacht, daß dieses Ereignis einmal auf Deinem Album landet!‘ Andererseits bin ich mir sicher: Insgeheim haben sie wahrscheinlich sogar gehofft, daß ich über sie schreibe.“