Der Entertainer, der Euch liebt
Es war einmal eine Band, die wußte auch nicht weiter in den großen Fragen der Menschheit Sie nannte sich trotzdem Die Antwort, was schon mal mutig war. Als diese ein paar schöne Platten über kleinere Fragen der Menschheit eingespielt hatte (Spätpubertät, Hamburg, Liz Taylor), löste sie sich auf. Und wurde ganz schnell zur Legende: Noch Jahre danach raunte man in Proberäumen und Wohngemeinschaften ihren Namen, aufFlohmärkten sah man Leute ruhelos umherstreuen bei der Suche nach „der ersten Antwort-LP“. Ja, wirklich, sie sagten „LP“Die Zeit verging – und wir durften den Ex-Bandleader Bernd Begemann in verschiedensten Situationen kennenlernen: Er wurde Minnesänger, Kolummnist einer Szenezeitschrift, Anti-Ideologe und Buddy-Holly-Imitator – einige NDR-Zuschauer sahen Bernd sogar im Bademantel. „Ich heiße Leute willkommen“, so umschreibt er seine Haltung zum Publikum. Jahrelang war er als Gastgeber auf der Bühne allein. Jetzt gibt es Die Antwort wieder. Wie das? „Es waren einfach Songs da, die kann man schwer alleine spielen“, erklärt Begemann. „Sie wirken dann unvollständig. Alleine gesungen klingen bestimmte Songs wie Gedanken – mit einer Band sind es Tatsachen. Damit kann man ein Statement machen.“ Das zentrale Statement der neuen Platte lautet: „Es darf nicht egal sein“. Begemann haßt die allgemein verbreitete Indifferenz seit eh und je. Seine Gratwanderung – sich konkret aufs alltägliche Leben einzulassen, ohne die höheren Ideen aufzugeben – ist auch nach der Solozeit noch nicht beendet Auch sonst hat sich bei der Antwort nicht viel geändert: Noch immer folgt man dem Gitarrenpop-Ideal, der alte Bassist Thomas Kosinar ist wieder dabei Am Schlagzeug allerdings hockt jetzt Henry Grant, ein Hamburger amerikanischer Herkunft. Laut Begemann hat jener zwölf Nebenjobs, „einer komischer als der andere“. Zum Beispiel gibt er Englisch-Unterricht für Greenpeace-Mitglieder. Henry: „Man muß doch über die Runden kommen.“ Man ist ja immer noch independenl.
Natürlich war und ist die Antwort vor allem die Band Begemanns: B.B. ist der unbestrittene Hauptdarsteller dieser Show. Und auch beim Interview tritt Begemann in verschiedenen Rollen auf. Als Grübler und Zweifler läßt er keine Gelegenheit ungenutzt, zerknirscht zu sein, die eigene Position in Frage zu stellen und sich am Kopf zu kratzen. Als Entertainer spuckt er alle paar Sekunden eine Pointe aus, wie ein Harald Schmidt der Wohnküche. Als romantischer Rothenburgsorter zitiert er Walt Whitmann, beklagt den wuchernden Nihilismus und preist die Liebe.
Und dann gibt es noch Bernd Begemann, den Hassenden. Sein Lieblingsthema sind derzeit die Dinosaurier-Bands der 70er Jahre und ihre neuen Inkorporationen: „Die Siebziger waren die Hölle. Ich muß es wissen, ich habe sie erlebt. Jetzt kommen wieder diese Bands mit schrecklichen Konzeptalben und diesem ganzen Terror, dieser drückenden Tristesse. Nimm doch nur Goklie mit diesem entsetzlichen 60-Minuten-Stück über seine Mutter.“ Auch die allseits gelobten Avantgardisten von Tortoise hält er für überschätzt: „Die machen einfache Sachen, variieren eine Melodie, die sogar geklaut ist Hört das außer mir denn keiner?“
Eigentlich schätzt er es nicht, daß unter Musikern und Journalisten ständig Attacken geritten werden: „Die meiste Zeit scheint es darum zu gehen, daß jemand demontiert werden soll. Man kann sich kaum noch normal über Dinge unterhalten oder mal die Arbeit bestimmter Leute gelten lassen. Oft kann ich dann eben auch nicht anders, als etwas wirklich zu hassen.“ Sein Versuch, eine positive Grundhaltung zu entwickeln, stockt immer wieder, wenn der Abgrenzungsreflex einsetzt Und der scheint gerade in der Hamburger Szene besonders gut zu funktionieren. Begemann grenzt sich von den Abgrenzern ab: „Das hat etwas Zwanghaftes, sich dauernd beweisen zu müssen, man habe mit diesem und jenem nichts zu tun.“ So paßt die Arbeit mit dem Selig-Produzenten Franz Plasa ins Bild.
Zwischen den Oberseminaren der „Hamburger Schule“ und dem Dreitagebart-Rock der Seligs hat Begemann seinen Weg gefunden, den man guten Geschmacks gehen kann. Daß es dem Comeback-Album der Antwort an Frische fehlt, es mehr nach einer Zusammenfassung klingt als nach Neuanfang – Schwamm drüber. Und die Zwischenbilanz fallt hier auch durchaus positiv aus. Der Titel des ersten Songs lautet „Liebe ist echt“.
Bernd Begemann: „Und das meine ich auch so.“