DER EINZIGE ECHTE OHRWURM
Mit „Get Lucky“ melden sich Daft Punk im Frühjahr zurück. Wie ein Lauffeuer verbreiten sich bereits vor Veröffentlichung die Soundschnipsel des Disco-Songs im Internet. Und schon bald führen Dutzende Bearbeitungen ein munteres Eigenleben: George Barnett wird über seine Folkversion zum Netz-Star. Ein gewisser PV Nova remixt „Get Lucky“ quer durch die Musikhistorie – von der 20er-Jahre-Swing- bis zur Euro-Dance-Version. Ein Ohrwurm, an dem die ganze Welt herumbastelt, was die behelmten Masterminds durchaus als Ehre verstehen dürfen. Bereits 69 Tage nach Veröffentlichung hat sich die Platte in Großbritannien eine Million Mal verkauft. Am Ende steht „Get Lucky“ in 46 Ländern auf Platz eins der Charts.
Die Single stammt von ihrem vierten Studioalbum, „Random Access Memories“, für das die zwei Franzosen einen Riesenaufwand betrieben haben. Fünf Jahre Feinarbeit, um ihren elektronischen Popentwurf nunmehr analog funkeln zu lassen. Disco-Legende Nile Rodgers steuert ein magisches Gitarren-Picking dazu, Giorgio Moroder seine Aura und Pharrell Williams samtene Gesangseinlagen. „Ein Denkmal aus Nostalgie“ hat man diesen Ansatz in Frankreich genannt, während Rodgers flankierend diagnostiziert: „Sie haben sich zurückgewandt, um vorwärts zu gehen.“ Der einstige Fortschritt der Maschinensounds, so die Arbeitsthese, wird wieder von Menschen übernommen. Das Endergebnis jedoch gerät seltsam klinisch. Wo der programmatische Eröffnungstrack „Give Live Back To Music“ heißt, will sich auf Albumlänge weder echtes Leben noch Magie entfalten. Einzig bei „Get Lucky“ wirken Daft Punk locker und entspannt; nur hier kommt ihre Hinwendung zur handgemachten Clubmusik wirklich auf den Punkt. Fein montierte 116 Beats per Minute als Musik für die Massen. Selten zuvor hat es so viel konzeptionellen Überbau gebraucht, um einen cleveren Welthit rauszuhauen. Ein Gartenpartykracher, errichtet auf den Fundamenten einer zu groß geratenen Theorie.