Der „Echo“ wird 20. Ein Gespräch mit Produzent Gerd Gebhardt
Am Donnerstag wird in Berlin zum 20. Mal der "Echo" verliehen. Bernd Gockel sprach für uns mit "Echo"-Produzent Gerd Gebhardt über die Trennung von Pop und Schlager, die Macht des Mainstreams und die persönlichen Highlights.
Als die Deutsche Phono-Akademie 1992 einen eigenen deutschen Musikpreis ins Leben rief, war die heutige Bedeutung der Verleihung nicht abzusehen. Dass die Geschichte des „Echo“ insgesamt als erfolgreich gilt und der Preis von der Branche angenommen wurde, liegt nicht zuletzt an Gerd Gebhardt. Der 60-Jährige saß lange Jahre im Vorstand der Phono-Akademie und gilt als der „Vater des ‚Echo'“. Wie in den Jahren zuvor, wird Gebhardt auch am 24. März in Berlin als Executive Producer dafür verantwortlich sein, dass die 20. Verleihung möglichst reibungslos über die Bühne geht.
Traditionell wird an der Veranstaltung lustvoll herumgemäkelt, das wird auch im 20. „Echo“-Jahr nicht anders sein. Manchmal geht es nur um peinliche Moderatoren, die Stars wie Sade mit banalsten Fragen attackieren, öfter aber um die grundsätzliche Struktur des Preises. Denn wo bei vergleichbaren Verleihungen anderer Länder die Gewinner von einer Fachjury gekürt werden, belohnt der „Echo“ fast ausschließlich kommerziellen Erfolg – es gewinnt, wer die meisten Platten verkauft hat. Die häufigsten Kritikpunkte waren im Gespräch mit Gerd Gebhardt zum „Echo“-Jubiläum ebenso ein Thema wie die veränderten Rahmenbedingungen angesichts der sogenannten Krise und einiges mehr. Interviewer Bernd Gockel und „Echo“-Manager Gebhardt sind einander übrigens keineswegs fremd: Am 23. Februar 1996 hatte Gebhardt den „Echo“ für den „Mediamann des Jahres“ an die Gründer der deutschen Ausgabe des Rolling Stone verliehen − Jörg Gülden und Bernd Gockel.
Hat es nie Überlegungen gegeben, Rock und Pop bei der Verleihung von Volksmusik und Schlager zu trennen? Schließlich gibt es ja auch für Klassik und Jazz separate Veranstaltungen …
Für mich ist das kein Stein des Anstoßes. Bei den „Grammys“ in den USA werden schließlich auch alle Stilrichtungen gleichzeitig ausgezeichnet, dort sogar inklusive des Klassik-Preises. Da das Klassik-Segment in Deutschland ungleich wichtiger ist, hat man sich hier für einen separaten Preis entschieden. Davon abgesehen sollte der „Echo“ alles abdecken, was in Deutschland an Musik produziert wird, vom Schlager bis zum Heavy Metal – und ich habe damit überhaupt kein Problem. Leute, die sich darüber aufregen, werden immer ein Haar in der Suppe finden.
Ein anderer Stein des Anstoßes ist die oft missliche Wahl der Moderatoren, oft genug auch der Laudatoren, die jegliche Affinität zum belobigten Kandidaten vermissen lassen. Wer trifft die personellen Entscheidungen?
Das ist primär die Aufgabe der beteiligten Sender, die die Veranstaltung live übertragen. Früher war das RTL, inzwischen der NDR bzw. die ARD, die bei der Wahl der Moderatoren natürlich ihre eigenen Kriterien haben. (Die Moderatoren der „Echo“-Jubiläumsgala standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest.)
Bei der Grammy-Verleihung entscheidet – wie bei den Oscars auch – ein Experten-Gremium über die eingereichten Vorschläge. In Deutschland sind die Gewinner, zumindest in den Haupt-Kategorien, identisch mit den Spitzenreitern der Charts. Wird damit nicht der Status quo des Massengeschmacks immer weiter zementiert und Musikern eine Chance genommen, die abseits des Mainstream stattfinden?
Wir haben vor 20 Jahren lange darüber diskutiert und dann ganz bewusst gesagt: Wir wollen nicht eine elitäre Clique abstimmen lassen, sondern die Leute, denen die Musik so am Herzen liegt, dass sie einmal an der Kasse Geld dafür bezahlt haben. Und aufgrund dieser Tatsache ist der „Echo“ der größte Publikumspreis der Welt. Gleichzeitig haben wir eine Jury, zusammengesetzt aus etwa 400 Mitgliedern der Musikverbände, die mit ihrem Votum dafür sorgen kann, dass das Ergebnis am Ende etwas spannender wird. Darüberhinaus haben wir einen Kritiker-Preis eingeführt, der im vorletzten Jahr von Peter Fox gewonnen wurde, der gleichzeitig auch „Künstler des Jahres“ war; im letzten Jahr war es Jan Delay, der ebenfalls beide Preise kassierte. Insofern liegen Kritiker und kaufendes Publikum gar nicht immer so weit auseinander.
Inwiefern tragen Sie beim „Echo“ den veränderten Konsumgewohnheiten Rechnung? Wird es irgendwann einen separaten Download-Preis geben?
Wir haben im Gremium darüber gesprochen und sehen dafür keine Notwendigkeit. Schließlich fließen die Download-Verkäufe ja mit in die Charts ein.
Vor einer Weile konnte man in der Fachpresse lesen, dass die bislang explodierenden Download-Zuwächse zuletzt dramatisch abgeflacht sind. Kein gutes Omen für eine Branche, die ja ohnehin jedes Jahr mit einem kräftigen Umsatz-Minus leben muss. Kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo die Verkäufe so marginal werden, dass eine Preisverleihung zur Farce wird?
Das ist eine Frage, wie sie wohl nur ein deutscher Journalist stellen kann – in Amerika würde das überhaupt nicht thematisiert. Er wird immer erfolgreiche Künstler geben, auf welcher Ebene auch immer. Wir haben gerade in Deutschlang mit Unheilig einen Künstler, der in einem knappen Jahr eine Million verkauft hat. Peter Fox hat auch über eine Million verkauft. Es wird immer Künstler geben, die auch in einem rückläufigen Markt extrem erfolgreich sind. Die Probleme, die wir mit dem digitalen Markt haben, sind das eine – das andere aber ist die Tatsache, dass die Leute noch immer Musik hören und haben wollen. Und das sogar mehr denn je.
20 Jahre „Echo“ – was war die positivste, was die peinlichste Erfahrung?
Dass wir es nach all den Umbrüchen der Anfangsjahre geschafft haben, den „Echo“ auf den richtigen Weg zu bringen. Es gab anfangs genug Leute, die lautstark unkten, dass man eine Preisverleihung wie den „Echo“ in Deutschland nicht etablieren könne.
Und die peinlichste?
Die verrate ich nicht.
Und die zweitpeinlichste?
Auch nicht. Ich erinnere mich aber an die zweite Verleihung in Berlin, 1993 muss das gewesen sein. Einer der Laudatoren hatte hinter der Bühne dem Alkohol wohl zu sehr zugesprochen. Als er auf die Bühne kam, um den Gewinner zu verkünden und seine Laudatio zu halten, verwechselte er dummerweise zwei Künstler. Aber wir hatten Glück: Die Veranstaltung wurde damals noch nicht vom Fernsehen übertragen.
Gerd Gebhardt machte Karriere in der Plattenindustrie und saß im Vorstand des Bundesverbands Musikindustrie. Der 60-Jährige ist Produzent des Echo. Gebhardt lebt in Hamburg und Berlin.
Die am Donnerstag stattfindende Preisverleihung wird ab 20 Uhr 15 live im Ersten übertragen. Eine Auflistung aller Nominierten findet sich hier.