Der dunkle Westcoast-Antipode Jackson Browne resümiert in seinen Songs die Freiheit und den unheilvollen Hedonismus der 70er Jahre

Wenn Jackson Browne (zu selten) eine Bühne betritt, hat das noch immer etwas Euphorisierendes. Unvergessen der wunderbare Abend 1982 in Montreux, der fürs Radio mitgeschnitten wurde und all seine großen Songs vereinte.

Auch 1993, bei der Tournee zu dem Album „I’m Alive“, gab’s Tränen der Erinnerung im Auditorium, wenn „Sleep’s Dark And Silent Gate“ als auch „Before The Deluge“ angestimmt wurden. Wobei Browne am Piano stets überzeugender ist denn als Vorsteher einer Rock-Band.

Die neue Platte „The Naked Ride Home“ ist zwar nicht die Erfüllung aller Wünsche der Gemeinde, immerhin inspirierter als „LookingEast“ von 1996. Die Brownsche Art des Erzählens erinnert hier zumindest an die besseren Songs von“LivesIn TheBalance“, dem ebenso emotionalen wie politisch motivierten Album mit dem bittersüßen Bekenntnis „For America“.

Jackson Browne, der als jugendlicher Song-Schreiber für Nico in New York begonnen hatte und von der deutschen Walküre unversehens in die Liebe eingeweiht wurde, zehrt natürlich von der Vergangenheit. Er war der dunkle Antipode der Eagles, denen er ausgerechnet „Take It Easy“ überlassen hatte und deren poliertem Westcoast-Sound er beinahe ätherischen Schönklang entgegensetzte, der auf dem Meisterwerk JLate For The Sky“ (1974) von Orgel und Slide Guitar geerdet wurde. Diese LP, die so unschuldig und schwärmerisch klingt wie von einem Träumerle ersonnen, blickt tatsächlich in den Abgrund einer zerstörten Liebe. Es ist dieses traumverlorene Balancieren zwischen eloquentem Herzausschütten und schwarzer Depression, das auch „The Pretender“ und „Running On Empty“ so faszinierend macht: Die Freiheit der 70er Jahre wird in Brownes Songs mit dem Bewusstsein der Gebrochenheit konfrontiert – „The Load-Out“, „Cocaine“ und „Running On Empty“ dokumentieren in einer Weise die Selbstzerstörung und Täuschung, wie man es nur von den radikalsten Platten Neil Youngs kennt.

Falsch ist folglich das Image des ungetrübten Gutmenschen und politischen Warners, der mit den „No Nukes“-Konzerten 1979 sogar Bruce Springsteen aus der Reserve lockte und der dem Freund Warren Zevon nach vielen Jahren einen Plattenvertrag vermittelte. Jackson Browne ist einer der letzten Überlebenden der Ära, die von der Ambivalenz des Hedonismus poetisch Zeugnis ablegen können. Dafür braucht er keine Geschichten aus dem Brotsack, dafür reichen schon die unheilvollen Lieder, die er als 25-Jähriger geschrieben hat.

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