Der dritte und letzte Teil unserer Americana-Triologie: Auf dieser Compilation sind vorwiegend jüngere Songs zwischen Country, Folk, TexMex und Rock versammelt. Und ein Stück von Garland Jeffreys.
Für eine Compilation wie diese braucht man die Genehmigungen für die Verwendungvon Songs. Das bedeutet, daß man die Rechte-Inhaber verständigen muß, die nicht immer identisch mit der Plattenfirma sind, die ein Album heraugebracht hat. Auch gibt es manche Firmen gar nicht mehr (in anderen Fällen gibt es die Künstler nicht mehr), oder es handelt sich um befristete oder lokal eingeschränkte Lizenzen. Kurzum, man kommt ganz schön herum, wenn man so eine Compilation zusammenstellt, und könnte ein Lied davon singen.
Bei den Arbeiten an „Americana III“ stießen wir auf eine alte Platte von Garland Jeffreys und erinnerten uns dunkel an ein Lied namens „Spanish Town“ (die Anthologie, auf der das Stück enthalten ist, heißt „Matador And More…“, in Anspielung auf Jeffreys‘ größten Hit). Und bei der Recherche nach der Lizenz erfuhren wir, daß der Künstler selbst sein Placet geben müsse. Garland Jeffreys ist heute in New York ansässig. Von dort antwortete er binnen eines Tages auf eine E-Mail und meldete sich anschließend telefonisch. Das Gespräch war sehr erbaulich, und neben der Erlaubnis zur Verwendung von „Spanish Town“ erlaubte uns der Songschreiber auch die künftige Verwendung des einen oder anderen Stücks. Wir kommen vielleicht darauf zurück.
Natürlich sind viele bekannte und beliebte „Interpreten“ (Dieter Thomas Heck) nicht für Compilations verfügbar. Aber wunderbare Songs von David Eugene Edwards, Hobotalk und Josh Rouse, die stes zu den Favoriten für unsere Auswahl zählten, konnten wir doch gewinnen. Die Blazers warf jemand in den Hut, den geschätzten Chuck Prophet, den guten alten Chris Cacavas. Songschreiber also, die traditionell im Rolling Stone gewürdigt werden und die (siehe Seite 9) in Europa eher heimisch sind als in ihrem Geburtsland. Ein Glück für uns.
Seit den ersten Planungen für diese kleine Reihe (in einem Münchner Hotel und in einem Jeep mit großen Reifen) ist ein Jahr vergangen. Seitdem haben wir etwa 100 Alben überprüft, nicht gerechnet jene, die in der Zwischenzeit erst veröffentlicht wurden (vermutlich etwa 100). Allein Jason Molinas Magnolia Electric Co hat in diesem Jahr Zwei Alben und eine EP hinzugefügt. Ein Song dieser fabelhaften Band ist hier enthalten.
Einer der profiliertesten Vertreter des urwüchsigen Gitarren-Rock amerikanischer Prägung ist CHRIS CACAVAS , der
einst bei Green On Red für die Keyboards zuständig war. Ihn und seine Band Junk Yard Love haben wir schon einige Male vorgestellt. Der Song „Truth“ ist auf ihrem Debüt-Album von 1989 enthalten, das von einem anderen alten Bekannten produziert wurde: Steve Wynn. Es gibt eine exzellente Remaster-Neuauflage von „Chris Cacavas And Junk Tara Love“, der neben anderen Demos auch jenes von „Truth“ hinzugefügt wurde.
In direkter Nachfolge des godfather of Alt. Country –Gram Parsons – stehen GOWN aus München. Denn wie Parsons‘ Mutter Avis ist auch Gown-Songwriter und -Sänger Thom ein echter Snively und sogar ein Cousin des großen Gram. Die Snivelys sind eine wohlhabende Südstaaten-Sippschaft, die wie Ex-Byrd Chris Hillman einmal
in einem Interview erklärte „direkt aus einem Stück von Tennesse Williams zu stammen scheint“. Das hier zu hörende „Mourning Star“ findet man auch auf dem ersten Gown-Mini-Album „Mrs. Tellow“, auf dem Thom Snively III mit seiner Band auch ein recht eigenwilliges Cover von Parsons‘ „Hickory Wind“ vorträgt.
Seit Mitte der Neunziger brachte Jason Molina alle paar Monate ein Album, eine EP, eine Single von Songs: Ohia heraus, bis man sich fragte, wer sich hinter dem Monitor verbarg. Schließlich war zu erfahren, daß es nur ein Musiker, eben Jason Molina war – der dann bald THE MAGNOLIA ELECTRIC CO gründete. Im Unterschied zu den früheren Folk- und Balladen-Experimenten schreibt Molina nun lange, glasklare Gitarren-Epen in der Tradition von Neil Young und Crazy Horse, die von gespenstischer Ruhe und Feierlichkeit sind. Auch hat der Mann aus Chicago die Eigenart, manche Lieder nach einer Weile zu überarbeiten oder einige Zeilen des von ihm bewunderten Warren Zevon einzustreuen ein Songschreiber, dessen wildes Temperament Molinas stoischem Gemüt entgegengesetzt war. ,Almost Was Good Enough‘ stammt vom ersten Album von Magnolia Electric Co von 2003 Letztlich sind 16 Horsepower auch daran zerbrochen, daß sich Sänger und Songschreiber David Eugene Edwards bereits seit einigen Jahren dem sogenannten Nebenprojekt WOVEN HAND gewidmet hatte. Hier macht der stille Einzelgänger noch mehr allein als bei seiner Band – nur hin und wieder darf ein Kollege an Gitarre oder Piano mitspielen. Die Songs sind nicht ganz so suggestiv wie die Arbeiten der frühen 16 Horsepower, dafür erlauben sie Edwards auch andere Topoi als die altertümlichen Western 6? Bibel-Gesänge bei den rustikalen Quetschkommoden-Nostalgikern.
Zwar ist Marc Pilley ein Schotte, doch mit HOBOTALK (das ist er im wesentlichen selbst) gehörter unbedingt in diese Sammlung. Bereits vor einigen Jahren hatte Pilley eine Platte mit stillen, intensiven Liedern vorgelegt, in diesem Jahr ließ er „Afotes On Sunset“ folgen. So leise und linear die Songs sind, so eindringlich faszinieren sie auch.
Nach einigen traditionellen, nicht aufregenden Songwriting-Platten – seit 1996 – und einem eklektischen Rückgriff auf „1974“ überzeugte JOSH ROUSE im letzten Jahr mit „Nashville“, einem ebendort produzierten Album mit modernen Country-Folk-Songs, von dem „Winter In The Hamptons“ stammt kein Nashville-Thema.
Nach der Trennung von seinem Partner Dan Stuart veröffentlichte CHUCK PROPHET 1990 sein erstes Solo-Album „Brother Aldo“, einen packenden Zugriff auf Americana-Standards, der aber auch seine Liebe zu den Rolling Stones (die sich aus denselben Quellen speisen) durchscheinen ließen. „Rage And Storm“ ist der zweite Song auf diesem Album.
In diesem Jahr machte das Label Yep Rock mit einigen Alben auf sich aufmerksam die schönste dieser Platten ist vielleicht „Favourite Colours“ von THE SADIES, bereits 2004 aufgenommen. Die zuweilen skurrilen und exzentrisch arrangierten Country-Rock-Songs dieser Band sollten zwar im Zusammenhang des Albums gehört werden, doch „Song Of The Chief Musician“ funktioniert auch isoliert ganz gut.
Seit vielen Jahren ist die texanische Gitarristin und Songschreiberin TISH HINOJOSA die absolute Autorität bei mexikanisch inspirierten Down-home-Songs aus dem Grenzgebiet. Auch auf ihrem jüngsten Album (aus diesem Jahr), ,A Heart Wide Open“, brilliert Hinojosa mit Unterstützung von Flaco Jimenez am Akkordeon und der Ryan-Adams-Musikerin Cindy Cashdollar an der Lap-Steel-Gitarre. „Would You Love Me Back Again?“ ist ebenso einfach-beschwingt wie süchtigmachend.
Mitte der 90er Jahre galten THE BLAZERS als Nachfolger von Los Lobos: Wie jene spielten sie TexMex mit Soul- und Blues-Rock-Derivaten – nicht immer war der Latino-Einfluß allerdings so beherrschend wie bei dem Stück „Cumbia Del Sol“, das von einem Album mit dem bezeichnenden Titel „East Side Soul“ (1995) stammt.
Von GARLAND JEFFREYS war lange nichts mehr zu hören. Das legendäre Stück „Matador“ war noch zwei Jahre entfernt, als er ’77 den Song „Spanish Town“ aufnahm – dem Stil der damals sensationellen Mink DeVille nicht unähnlich. Auch bei Garland überlagerte das Hispanische sogar den hitzigen Straßen-Beat von New York.