Der Beat darf nicht verloren gehen
Endlich erscheint das ominöse vierte Album der Kraut-Fantasten Neu! regulär – zwei Jahre nach dem Tod von Klaus Dinger.
Die Faxnachricht las sich klar und deutlich – ohnehin war Michael Rother einer der Wenigen, die Klaus Dingers Handschrift entziffern konnten. „Herzlichen Glückwunsch! Morgen kommt ‚Neu! 4‘ in Japan heraus!“ stand auf dem Blatt, das Rother im Sommer 1995 von seinem alten Kollegen und musikalischen Expeditionspartner erhielt. Die Überraschung war ihm geglückt: Eigentlich wollten sie die Musik, die sie schon 1985 und ’86 gemeinsam dem Chaos abgerungen hatten, nie veröffentlichen. „Bevor wir auseinandergingen, versiegelten wir sogar die Bänder“, erinnert sich Rother – was die endgültige Beerdigung des Projektes bedeutete, das sie 1971 in Düsseldorf voll kreativer Erregung gestartet hatten.
Dass diese vierte Neu!-Platte jetzt doch noch ganz offiziell in Europa erscheint (als Teil der neuen „Vinyl Box“), hat zwei Gründe. Einen schönen: Die Muskelkraft-trifft-Fantasie-Musik von Neu! fand in Sonic Youth, David Bowie und anderen so viele meinungsbildende Fans, dass der Ruf nach einer Werk-Neuausgabe gewaltig wurde. Und einen traurigen: Dinger, der immer ein höchst schwieriger Geschäftspartner war und schon 2001 bei der Wiederveröffentlichung der frühen Alben viele Hürden errichtete, starb im März 2008. Seine Witwe dagegen fand Rothers Konzept für die „Neu ’86“-Edition überzeugend. „Die Ideen, die Klaus und ich gemeinsam entwickelt haben, werden mich bis ans Lebensende begleiten“, resümiert er – und plant unter dem Namen Hallogallo 2010 gar eine Tour mit befreundeten US-Musikern, auf der der Neu!-Beat auch wieder live pulsieren soll. Mehr dazu im Video-Interview mit Michael Rother auf www. rollingstone. de/videos.