Der Bär lacht laut und dreckig
Mit tollen Platten und Konzerten empfiehlt sich Otis Taylor als Zukunft des Blues - aber was, fragt er, wenn das größte Blues-Genie erst noch geboren werden muss?
„Ich finde das lustig.“ Sagt Otis Taylor und lacht. Laut und dreckig. Und nicht zum letzten Mal in unserer Halbzeit zwischen Soundcheck und Abendessen. Und was findet der in Chicago gebürtige Hüne aus Boulder/Colorado so lustig? Na, dass er ausgerechnet am selben Abend wie Eric Clapton in Hamburg spielt.
Clapton natürlich in einer gut gefüllten Mehrzweck-Arena vor den Toren, Taylor im „Downtown“-Club mitten im Stadtpark, in dem sich später vielleicht 70 Zahlende einfinden werden.
Die dürften wiederkommen: Otis Taylor live, das ist der Stoizismus von Hooker und die Nonchalance von Winnie the Pooh, zuweilen besprüht mit dem Agit-Witz von Cassius Clay. Und seine hübsche Tochter Cassie spielt den Bass dazu.
In seiner Garderobe liegt aufgeschlagen die Ausgabe des „New Yorker“, in der Claptons Robert-Johnson-Hommage verrissen und Taylors neues Album „Double V“ als Zukunft des Blues gehandelt wird. Jemand könne ja mal, scherzt er, die Bodyguards von Clapton anrufen, damit sie ihn in seine, Taylors Show bringen. Wieder dieses Lachen. Noch dreckiger. Man müsste es diesem Heft als rare track beilegen, man kann es hier und da aber auch auf „Double V“ erahnen.
Auf die Frage, ob er sich jemals für Clapton interessiert habe, fällt Otis Taylor nur Cream ein und da eher Ginger Baker. Ende der 60er tummelte er sich ja selbst im Swinging London, hing mit 21 in Clubs wie dem „Speakeasy“ rum. Mit dem Plattenvertrag, auf den er damals gehofft hatte, wurde es dann aber nichts. Zurück in den Staaten machte Taylor fortan lieber wieder in Antiquitäten. Oder managte Mitte der 80er eine afro-amerikanische Rennradmannschaft – zwei seiner Schützlinge kamen bald sogar ins Olympia-Nationalteam. Doch als der Geldgeber pleite ging, hatte es sich ausgeradelt Der machte später mit Coffeeshops weiter und legte so den Grundstein für Taylors Comeback als Musiker. „Er wollte, dass dort Leute auftreten, wie früher in den Sixties. Ich sollte ihm nur die P.A. organisieren. Aber ich sagte: ‚Vergiss die P.A., ich spiele selber.'“ Was dann gemeinsam mit dem Bassisten Kenny Passarelli so gut funktionierte, dass bald die erste Platte ins Haus stand. Und nachdem kein Geringerer als Springsteen-Hausbiograf Dave Marsh „When Negroes Walked The Earth“ im US-Playboy“ abgefeiert hatte, schnell auch eine Plattenfirma.
Als Avantgardist out on the edge sieht sich Taylor, und den Blues hält er weniger für einen Stil oder gar ein Akkordschema, mehr für „die Basis für meine Haltung“. Weiß die vermeintliche Zukunft des Blues denn auch, warum die Genre-Gegenwart oft so trist ist? „Weil die Leute nur noch interpretieren. Wie Clapton mit seinem Album. Ich glaube nicht, dass Robert Johnson sich damit begnügt hätte, nur Charley-Patton-Songs zu spielen. Er wollte sein eigenes Ding machen, so kam der Blues in die Gänge.“ Zudem würden auch die Firmen „nur die Romantik des Blues pushen und nicht die Kreativität Die interessanten Künstler sind alle keine Gitarren-Helden. Ist das nicht interessant?“
Für größte Skeptiker hat Otis Taylor noch eine andere, fürwahr schockierende Frage auf Lager. „Ich sage immer: Was, wenn der größte Blues-Musiker überhaupt noch nicht geboren ist? Dann gucken sie dich an, als ob du verrückt bist. Es gibt genug Schmerz im Ghetto, warum also nicht?“ Vielleicht weil dort längst der HipHop die Funktion übernommen hat? ,Ja, aber was wenn ein Junge HipHop und Blues nimmt und was ganz anderes daraus macht? Warum nicht? Der Blues muss nicht sterben. Es ist nur eine Frage der Einstellung.“