Der amerikanische Songschreiber Josh Rouse erzählt lieber die Geschichten anderer, als die Leute mit Introspektionen zu langweilen

Josh Rouse scheint sich allmählich zum Mann für Konzeptalben und Chronisten des 20. Jahrhunderts zu entwickeln. Sein letztes Album “ Under Cold Blue Stars“ erzählte die Geschichte eines Paares aus dem Mittleren Westen der USA in den 50er Jahren und basierte lose auf den Erzählungen seiner Eltern. Das neue Werk „1972“ beschwört nun die Musik der 70er Jahre. „Ach, das mit den Konzepten wird überbewertet“, winkt er ab. „Ich habe nur einfach keine Lust, die ganze Zeit über mich zu schreiben und damit die Leute zu langweilen, wie das viele Songschreiber tun. Da denke ich mir lieber nette Geschichten aus, um das zu umgehen.“ Das heißt natürlich nicht, dass „1972“ nichts mit ihm selbst zu tun hat – immerhin ist das sein Geburtsjahr, in dem zufälligerweise auch noch seine Telecaster gebaut wurde, und dann ist da noch die Liebe zur Musik dieser Zeit: „Ich mag einfach den Sound der Platten, die Ende der 60er, Anfang der 70er gemacht wurden: ,Can’t Buy A Thrill‘ von Steely Dan, ‚Tapestry‘ von Carole King, ‚What’s Going On‘ von Marvin Gaye (dem widmete Rouse schon auf seinem 2000er Werk „Home“ einen Song), Blaxploitation-Soundtracks… Ich wollte einfach ein Album machen, das genau so klingt.“

Auf der Suche nach einem Produzenten traf Rouse dann zufällig Brad Jones, der schon bei einigen Ron-Sexsmith-Alben Bass gespielt hatte. Sexsmith wiederum ist ein guter Freund von Rouses Frau („Sie schneidet ihm die Haare“). „Ich fragte Brad, ob er nicht Lust hätte, mit mir eine Platte zu produzieren, die nach den 70ern klingt Er war sofort begeistert und meinte: „Kein Problem. Besorg einfach viel Kokain, viel Pot und viele Frauen, dann klappt das schon.'“ Der gute alte Rock’n’Roll-Mythos. „Vielleicht bin ich ein paar Jahre zu spät dran für das, was ich mache. Nicht, dass ich aktuelle Musik nicht mag – ich hab neulich die letzte Schneider TM-Platte gehört und fand die ganz super – aber damals hatten Songschreiber einfach mehr Erfolg – nicht nur bei Frauen (lacht).“

Heute ist es da schon härter, als Songschreiber sein Geld zu verdienen, man spielt in kleinen Clubs und schmuddeligen Kneipen vor ein paar Wenigen. „Das hat aber auch sein Gutes“, wägt Rouse tapfer ab. „Man ist näher an den Leuten dran, und gerade in Kneipen trifft man immer wieder interessante Menschen, die einem aus ihrem Leben erzählen – und schon hat man wieder Stoff für neue Songs.“ Da war zum Beispiel dieser Typ, den Rouse und seine Frau nach einem Belle And Sebastian-Konzert in Atlanta in einer kleinen Bar trafen und zu einem Bier einluden. Der wurde anschließend in dem neuen Song James“ verewigt. An manchem Tresen gibt’s halt mehr Geschichten als in einer Bibliothek und mehr Songs als in der Jukebox.

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