Der amerikanische Songschreiber Bill Callahan alias Smog bleibt auf Distanz und findet seine Inspiration in der konstanten Fremdheitserfahrung
Bill Callahan, neben Will Oldham und Jason Molina von Songs: Ohia einer der großen amerikanischen Songschreiber des Independent-Folk und seit über zehn Jahten auch unter dem Namen Smog – beziehungsweise neuerdings (Smog) – bekannt, ist nicht gerne lange an einem Ort Aufgewachsen in Maryland, lebte er in New Hampshire, Georgia, South Carolina, Kalifornien und New York. Jetzt wohnt er in Chicago. „Wenn du in eine neue Stadt ziehst, kennt dich erst niemand und du bist ein Outsider, dann kriegen die Leute raus, was du so machst Da fühle ich mich unwohl.“ In einem Song von seinem 1997er Album Jted Apple Falb“, „I Was A Stranger“, singt er: „I was worse than a stranger/ I was well known.“ Wenn es um die Ergründung der Person Callahan geht, kommt man immer wieder auf das Bild der Tiefseetaucherkugel aus dem Song „Bathysphere“ vom 95er Smog-Meisterwerk „Wild Love“. „When I was seven/ I wanted to live in a bathysphere/ … My father said to me: 3ut you can’t swim.‘ And I never dreamed of the sea again.“ Callahan flüchtet vor der Zurückweisung des Vaters, der ihm seine Illusion nimmt, geschützt in einer fremden Umgebung als Beobachter sein Leben zu fristen, hin zu seinem Traum, zum Unerreichbaren. Er ist ein Fremder, weil er den Ort, an den er zu gehören scheint, niemals finden kann.
Im Interview benutzt er nur die einfachsten Sätze, als sei nichts selbstverständlich. Verlegen, indifferent staunend, schüchtern, ein bisschen linkisch, verschanzt er sich hinter der aufgebauten Distanz, die ihn von den anderen ebenso wie von sich selbst ablöst und ihm das überlegene Gefühl gibt, zwar nicht im Besitz der Wahrheit zu sein, aber da zu relativieren und sich zu relativieren, wo die anderen in ihrer kleinen Welt gefangen sind. Er spricht nur das Nötigste, scheint mit seiner Heimat auch seine Muttersprache fast vollständig abgelegt zu haben. Seine neue Sprache hat er wohl in seinen Songs gefunden. Doch auch hier ist die Distanz präsent: im brummelnd-lethargischen Vortrag, in scheinbar beiläufigen Aphorismen, in der Komik: „When they do the movie of your life/ They gonna have to ask you/ To do your own stunts/ Cause nobody… can pull of the same shit as you/ and still come out alright.“ Bill Callahan, der Existenzkomödiant.
In der Suche nach dem unerreichbaren Ort liegt auch eine gewisse paradoxe Sehnsucht nach Nähe und Kontinuität So erklärt sich der Titel des neuen Albums, „Supper“: „Ich war auf der Suche nach etwas Konstantem und Erfreulichem. Einfach eine gute Zeit haben mit Freunden“, sagt Callahan. Der Fremde will allein sein, aber mit Gleichgesinnten und seine Distanz zu sich selbst aufgeben, einen Charakter verkörpern, der ganz bei sich ist Daher die Bewunderung für den Schauspieler Peter Falk alias Columbo. „Es ist diese Rolle. Er steckt so sehr da drin. Das kann niemand sonst.“ Und dann ist da noch James Brown, den er als Kind mal im Fernsehen sah und seit dem für seine energiegeladene Show bewundert Selbst seine Idole sucht Callahan im Fremden, Unerreichbaren. Die Identifikation findet er im Cartoon. Bei den Simpsons: „Marge arbeitet als Immobilienmaklerin. Sie steht mit einem Kunden vor einem Haus und plötzlich fallt die ganze vordere Hauswand um. Innen sieht man Lenny in Unterwäsche, wie er vor seinem Fernseher sitzt Er schaut verdutzt und ruft leicht gequält: ,Bitte erzählt niemandem, wie ich hier lebe.“‚ Lenny, ein Arbeitskollege von Homer und eigentlich eher eine Nebenfigur, ist Bills Lieblingscharakter: „Er ist komisch, und ich verstehe ihn.“ Auch Callahan mag sein kleines Apartment nicht besonders und ist weit davon entfernt, es als sein Zuhause zu bezeichnen: „Ich kümmere mich nicht so richtig darum, es ist schon ein Kampf es einigermaßen sauber zu halten.“ Hat er Bilder an der Wand? „Nein. Es gibt einige Bilder, die du eine Zeit lang anschauen kannst Aber es ist entspannend, wenn man immer mal wieder was Neues sieht Wahrscheinlich würde ich eh die falsche Wahl treffen.“