Der amerikanische Goldjunge: Zum Tod von Glen Campbell
2011 erkrankte Glen Campbell an Alzheimer und ging in den langen Sonnenuntergang – am Dienstag verstarb er. Nachruf auf einen Musiker und Schauspieler, der Amerika über sechs Jahrzehnte prägte.
Der Ort in Arkansas, in dem er 1936 geboren wurde, hätte nicht besser heißen können als Delight. Glen Campbell war ein amerikanischer Golden Boy, ihm fiel alles leicht, als er jung war, und dann fiel ihm nichts mehr leicht. Er brachte sich das Gitarrenspiel bei und wurde ein verteufelt guter Gitarrist, und er hatte eine Stimme wie Honig. 1958 ging er nach Los Angeles, spielte in der Band The Honeys und wurde dann Gitarrist in dem losen Verbund von Studiomusikern, die „Wrecking Crew“ genannt wurden, weil sie bei Aufnahmen der Beach Boys ebenso brillierten wie bei Sessions von Frank Sinatra, Dean Martin und den Monkees.
1964 ersetzte Campbell den unwilligen Brian Wilson bei den Konzerten der Beach Boys – er beherrschte auch dessen Falsettgesang. Wilson bedankte sich mit einem für beide Männer vielsagenden Song, „Guess I’m Dumb“, den Campbell 1965 erfolglos herausbrachte. Campbell verdiente viel Geld als Studiomusiker, aber mit 30 Jahren begann er seine zweite Karriere. Mit John Hartfords „Gentle On My Mind“ hatte er 1967 einen Hit, und im selben Jahr sang er „By The Time I Get To Phoenix“, den ersten und größten so vieler Songs von Jimmy Webb. Im Jahr 1968 veröffentlichte er vier Alben, darunter eines mit Bobbie Gentry – sie waren ein Paar aus dem amerikanischen Bilderbuch. Jimmy Webbs „Wichita Lineman“ wurde ein Nummer-eins-Hit in den USA. Und 1969 folgte „Galveston“, das dritte Webb-Campbell-Meisterstück.
Der weizenblonde Campbell spielte in dem Western “True Grit“ treuherzig neben John Wayne, der für den Film einen Oscar erhielt. Im Fernsehen war Campbell der Gastgeber in der Show der Smothers Brothers und präsentierte bis 1972 seine „Glen Campbell Goodtime Hour“. Aber die guten Zeiten waren vorbei. Campbells Goldquelle versiegte, als Jimmy Webb erst schwächere Song wie „Where’s The Playground, Susie“ für ihn hatte und dann keine mehr, weil er eigene Platten aufnahm. Webb, ein beseelter Hippie, war auch von den konservativen Ansichten Campbells befremdet. Später, als die beiden noch einmal gemeinsam auftraten, erinnerte sich Webb daran, dass Campbell ihm tatsächlich empfahl, zum Friseur zu gehen. Er sah aber auch scheiße aus.
1975 sang Campbell den Song, der ihn berühmt gemacht hätte, wenn er nicht schon berühmt gewesen wäre: Larry Weiss’ „Rhinestone Cowboy“ wird ganz und gar mit Campbell identifiziert (und umgekehrt). Zwei Jahre später hatte Campbell zwei Radiohits im leichten Fach: „Southern Nights“ und „Sunflower“. Und das war das.
Am Ende lebte er in einem Heim in Nashville
Glen Campbell fiel mit trunkenen und drogeninduzierten Eskapaden auf, verschwand in den 80er-Jahren, schwor dem Alkohol ab, wurde gläubig, heiratete zum vierten Mal und ging mit den alten Songs auf Tournee, stets nur in den USA. Seine Autobiografie heißt „The Rhinestone Cowboy“. Im Jahr 2008 wurde ein Album produziert, auf dem Gampbell Songs der Stunde von Green Day und Foo Fighters in moderaten, in Campbell-Arrangements singt.
Mit der Platte „Ghost On The Canvas“ und seiner Abschiedstournee ging Campbell 2011 in den langen Sonnenuntergang: Er war an Alzheimer erkrankt. Er erinnerte sich nicht mehr. Seine Frau Woollen und seine Kinder pflegten ihn in seinem Haus in Los Angeles; zuletzt lebte er in einem Heim in Nashville. Das Album „Adios“, das vor zwei Monaten erschien, enthält die letzten Stücke, die Campbell 2013 sang. In dem Dokumentarfilm „I’ll Be Me“ von 2014 sieht man, wie er noch immer kämpfte. Es ist ein schwer erträglicher Film. Man muss ihn aushalten.
Hochmögende Künstler haben „By The Time I Get To Phoenix“ gesungen – Johnny Rivers, Dean Martin, Isaac Hayes. Campbell sagte immer: Sie haben es zu langsam gesungen. Man muss es schnell singen. Am Anfang, 1967, sang er selbst es SEHR langsam.
Gestern starb Glen Campbell, der amerikanische Troubadour, im Alter von 81 Jahren in Nashville, Tennessee. „She’ll turn softly and call my name out low/ And she’ll cry just to think I’d really leave her.“