Der Ambient-Pionier Aphex Twin experimentiert an Sounds mit der Wirkung einer schweren Asthma-Attacke
Noch immer glauben viele Menschen, daß es bei Ambient-Musik nur um das Flügelschlagen von Schmetterlingen und den Gesang der Wale und natürlich den Duft von Aroma-Kerzen geht. Richard James alias Aphex Twin, dem Genre im weitesten Sinne zuzurechnen, räumt jetzt mit diesen Klischees auf sein bestes Stück hat die Wirkung einer schweren Asthma-Attacke.
Der Track „Ventolin“, benannt nach einem Medikament zur Behandlung von Bronchial-Erkrankungen, wird von einem fiesen Fiepen durchzogen – ab pfeife da jemand aus dem letzten Loch. Darüber werden seltsam in sich verkeilte Beats geschichtet, die dem Hörer die Orientierung rauben. „Mich hat dieses Keuchen interessiert, wenn du keine Luft bekommst“, sagt der Studio-Tüftler, der selbst an Asthma leidet. „Das Stück soll klaustrophobisch und beängstigend wirken – wie ein Asthma-Anfall. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Das Stück ist kein Statement. Mich interessieren einfach nur der Sound und das Gefühl.“
Richard James muß keine Angst haben. Daß dieser Mann keine Statements im klassischen Sinn gibt, dürfte jedem klar sein, der sein Oeuvre kennt. Dem Mittzwanziger, der in seiner Garage einen Panzer stehen hat und gern über die Schönheit von Waffen philosophiert, geht es um andere Dinge: um Konsistenzen, Befindlichkeiten oder chemische Prozesse; ob im Kopf, im Körper oder sonstwo. Alles ist in Bewegung, und wo es Bewegung gibt, gibt es auch Klang. Diese Kette von Kausalitäten imitiert der Engländer mit seinen elektronischen Gerätschaften. So schafft er sich eine Welt in der Welt. Einst trainierte er sich selbst, um notieren zu können, was er gerade geträumt hat. „Es gibt Methoden, um sich Geträumtes bewußt zu machen“, erklärt James.
Nachdem der Techno-Weirdo jahrelang für sich und ein paar Eingeweihte Tracks produziert hatte, erzielte er mit „Selected Ambient Works Two“ 1994 erstmals größere Aufmerksamkeit. Auf dem Doppel-Album probierte James aus, wie wenig Töne gebraucht werden, um eine Komposition als solche kenntlich zu machen. Brian Eno stand Pate. Mit seinem neuen Werk „I Care Because You Do“ arbeitet er in die entgegengesetzte Richtung. Er türmt Rhythmen und Sounds zu babylonischen Gebilden, aus denen sämtliche Dancefloor-Idiome pochen: vom Breakbeat bis zum abstrakten HipHop, von Dub bis House.
Live hat der Aphex Twin noch nicht gespielt; der ganze technische Firlefanz nervt ihn. „Ich will beweglich bleiben. Aber ich bastle gerade an einem entsprechenden Computer. In einem Jahr bin ich soweit, dann brauch ich nur meinen Laptop mit auf die Bühne zu nehmen.“