Depeche Mode und „Construction Time Again”: Alles zählt
Mit ihrer dritten Platte schafften es Depeche Mode in Großbritannien und in Deutschland in die Top Ten der Albumcharts. Und das 80er-Image der Band war festgelegt.
Mit Gareth Jones als Produzenten und den Einstürzenden Neubauten im Sinn konstruierten Depeche Mode das sie in den 1980er-Jahren prägende Image: Blick auf globale, soziale Ungerechtigkeiten, martialische, metallische Klänge, Dave Gahan im Bariton.
Um die Stimmung ihres dritten Albums zu halten, ließen sie auch hier eine voran gegangene Single weg („Get The Balance Right!“).
Nur zwei Singles koppelten sie international aus, das große „Love, In Itself“, hat die Band bis heute nicht mehr beachtet. Das noch größere „Everything Counts“ machte Depeche Mode in größerem Kontext, als politische Skeptiker bedeutsam („The grabbing hands /Grab all they can /All for themselves after all“).
„Everything Counts“ würde die Musiker in den folgenden Jahren noch lange begleiten, live als im Chor mit dem Publikum gesungenes Schlussstück ( bei der „Music For The Masses“-Tour und in „101“ verewigt), zuletzt auch bei der „Spirit“-Konzertreise. Es passt zu jeder Zeit, und Depeche Mode dokumentieren mit diesem Lied ihre bereits schon früh ausgebreiteten Stärken.
Dieser Text ist Teil der der Liste „Alle Alben von Depeche Mode im Ranking“
01. Black Celebration (1986)
Wer ein Feuerwerk zündet, will feiern. Das Feuerwerk in „Stripped“ aber deutete etwas Anderes an. Es klang tiefer, verzerrter, zeitlupenartig, wie die letzten Sekunden eines Lebens. Dave Gahan sang „Come with Me / Into The Trees“ und am Ende „Let me hear you crying / Just for me“.
Die Plattenfirma hatte Depeche Mode davon abgeraten, „Stripped“ als Vorabsingle ihres Albums „Black Celebration“ auszukoppeln. Es kam ihnen zu düster vor und zu lauernd, es war auch recht langsam. Aber genau so wollten die vier Musiker wirken. Sänger Gahan in der Rolle eines Verführers, der eine „schwarze Messe“ feiert.
Die Produzenten Gareth Jones und Daniel Miller nahmen vom Industrial-Sound des Vorgängers „Some Great Reward“ (1984) Abstand, die Maschinen Berlins, das Keuchen, Zischen und Eisenknallen war erstmal passé. Sie entwickelten einen neuartigen schlankeren Sound, der viel eleganter und gleichzeitig bösartiger war. „Black Celebration“ war ein Stachel, wie im Samthandschuh präsentiert.
Es klang nach Palästen umringt von Feuersäulen, wie im Titelstück, es klang nach einem Walzer mit dem Teufel („Dressed in Black“) oder dem Spiel auf einer Orgel, deren Pfeifen aus Skeletten bestehen („It Doesn’t Matter Two“). Das Plattencover, rote Rosen wachsen auf ein Hochhaus zu, sah aus wie von Stephen Kings „Dunkler Turm“ entnommen. Und immer den Tod im Blick, der unsere Sicht aufs Leben bestimmt: „Death Is Everywhere / There Are Flies On The Windscreen / For A Start“. Und auch immer wieder über Songs verstreut zu hören: das Ticken einer Uhr. Die Zeit läuft ab.
Das Gefühl, das nur Teenager kennen
Stolz berichten Depeche Mode heute darüber, wie sie mit dieser Platte gegen Vorurteile ankämpfen mussten. Die dem Re-Release von 2007 beigefügte Dokumentation zitiert mit ihrem Titel Daniel Miller: „The Songs Aren’t Good Enough, There Aren’t Any Singles And It’ll Never Get Played On The Radio“. Zu Millers Verteidigung muss man anführen, dass er sein Urteil auf die Demoversionen bezogen hatte.
Martin Gore platzierte gleich vier von ihm selbst gesungenen Stücke auf der Platte, mehr als je davor oder danach. Depeche-Mode-Studioalben sind ja sorgfältig kompiliert, die Tracklist stellt dramaturgisch meist eine Entwicklung dar. Hier fuhr Gore mit „A Question Of Lust“, „Sometimes“ und „It Doesn’t Matter Two“ auf den Positionen drei bis fünf gleich mehrere Wellenbrecher auf. Nie sang der 24-Jährige so schön, so verletzlich, so jenseits allen Kitsches über die Gefühle von Teenagern. Diese Eigenschaft hat Gore sich bis heute, 30 Jahre später, bewahrt. Auch wenn er zuletzt, wie im „Delta Machine“-Stück „The Child Inside“, noch weiter zurückblickte, bis in die Kindheit.
Auch mehr als 30 Jahre später weiß die Band diese Platte zu würdigen. Der Titelsong schafft es regelmäßig auf die Setlist, die Singles sowieso, das leider nicht als Single erschienene „Fly On The Windscreen – Final“ auch, und Martin Gore zerlegt „Dressed In Black“ oder „It Doesn’t Matter Two“ live in einer Pianoversion bis auf die Knochen. Bei der „Spirit“-Konzertreise muss „I Feel You“, der Monolith, regelmäßig „A Question Of Time“ weichen.
Welcher Song war bei der 2013er-Tour der meistgefeierte? Nicht „Enjoy The Silence. Sondern „But Not Tonight“, eine B-Seite!
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