Sorry, aber dieser KI-Song hat den Depeche-Mode-Code geknackt
Nicht die KI ist schuld – Depeche Mode sind schuld. Sollen mal wieder bessere Songs schreiben
Lauter Wut-Emojis in den sozialen Netzwerken! „Sakrileg“, „Schrott“, „weg damit“! Seit ein paar Tagen rasten Depeche-Mode-Fans komplett aus, weil jemand einen KI-Song veröffentlicht hat, der wie Depeche Mode klingen soll – und es (leider?) auch tut.
Dass „das Original“ immer besser ist als die Kopie, ist eine Binsenweisheit. Kein Werk einer Künstlichen Intelligenz kann Geist, Kreativität und Originalität eines Komponisten, der allein weiß, wo die eigene künstlerische Reise hingehen soll, ersetzen. Aber „Like a mystery“ gelingt etwas, das fies gesagt, eine Schwäche von Depeche Mode offenbart, wie sie seit sehr vielen Jahren offenkundig ist: Ihr Code ist nicht mehr schwer zu knacken.
Die KI-Stimme des Fake-Dave-Gahan klingt sehr gut, sehr echt (vielleicht ein wenig zu blechern), und der selbstironische, auf die Computer-Scharade hinweisende Text („Let your rhythm capture me / in circuits of intensity /we move through realms of shadow plays /with beats that fill the nights and days / you’re the sound i’m chasing after / fusion of joy and of disaster“) offenbart einen gelegentlichen Makel des Songwriters Martin Gore. Er reimt gerne mal von Zeile zu Zeile jedes Wort durch, das überhaupt nur zu reimen geht (wie in „Stripped“, „So Much Love“, „Judas“).
„Like a mystery“ fehlt die Arrangement-Besonderheit, die Erfindung komplett neuer Klänge, wie Alan Wilder sie Depeche Mode bis zu seinem Ausstieg 1995 zu verleihen vermochte. Das stimmt natürlich. Wilder erweckte die Maschine zum Leben. Der hier ausgedachte, eher schmutzige Industrialsound aber ist auch der Band nicht unbekannt. Dieses KI-Lied hätte locker ein Outtake aus „Delta Machine“ (2013) oder „Spirit“ (2017) sein können. Weil es eben genauso so ist, wie die Nummern auf diesen Platten: ein mittelmäßiger Song. Oder wie von Camouflage.
Die Erschafferin von „Like a Mystery“ hat gar einen Disclaimer ihrem Clip vorangestellt. „Ich möchte weder Depeche Mode noch DM-Fans gegenüber respektlos sein. Ich bin ein großer Fan der Band seit den 80er Jahren – habe alle ihre Alben als Vinyls und CDs, habe sie viele Male in Konzerten gesehen usw. Ich wollte einfach nur zeigen, was Udio alles kann, weil ich AI faszinierend finde. Es versteht sich von selbst, dass – nichts – die Originalband und ihr Talent ersetzen kann. Nicht einmal AI.“ Die verfalteten, im Video auf alt getrimmten Musiker darf man auch mit Humor nehmen.
Vielleicht sollten Depeche Mode einfach mal wieder bessere Songs schreiben? Dann würde auch der Computer ins Schwitzen geraten.