Denn sie wussten nicht, was sie tun
Peter Biskinds stupend komische und irrwitzige Skandalchronik des Hollywood- Kinos der 70er Jahre gibt es nun auf deutsch: „EASY RIDERS, RAGING BULLS"
Da wären wir also, 20 Jahre nach ,Heaven’s Gate*. Die Regisseure sind mehr oder weniger entmachtet, die Studiomanager scheffeln ungeheure Summen, und die Budgets sind außer Kontrolle geraten wie nie zuvor. Und seit zehn Jahren hat es keinen Klassiker gegeben“, sagte Francis Ford Coppola 1999, als Peter Biskind sein Sudelbuch über das „New Hollywood“ zu Ende geschrieben hatte.
Coppola, der Büffel als Gärtner: Er war das Vorbild all jener Regisseure, die Ende der 60er Jahre ein unabhängiges Autoren-Kino dem alten Studiosystem entgegensetzten, die Ordnung für eine Weile außer Kraft setzten, ohne eine neue zu etablieren, um dann am eigenen Größenwahn zu scheitern.
„Apocalypse Now“, ein Film, der nie fertig zu werden schien und dreimal soviel kostete wie geplant, steht exemplarisch für den Untergang aller Hoffnung, aber auch Michael Ciminos „Heaven’s Gate“ – der United Artists ruinierte -, William Friedkins „Sorcerer“, Peter Bogdanovichs „Daisy Miller“ und Robert Altmans „Pop eye“ zählen zu den Totengräbern künstlerischer Ambitionen. Danach kamen „Flashdance“, „Top Gun“, „Indiana Jones“, kamen die Gaga-Produzenten Simpson & Bruckheimer & Katzenberg und all der Dreck der Achtziger. Aber schon mit „Star Wars“ war alles vorbei. Paul Schrader, der „Taxi Driver“ schrieb, und Spielberg bei „Close Encounters“ half: „,Star Wars‘ war der Film, der das Herz und die Seele von Hollywood verschlang. Er schuf diese Big-Budget-Comic-Heft-Mentalität.“ Zu verdanken war das George Lucas, dem Mündel Coppolas, selbst ein Außenseiter des Systems, der an seinem Film verzweifelte, weil er keine Ahnung hatte, wie er mit Schauspielern umgehen sollte. Sogar Lucas‘ Frau und Freunde hielten „Star Wars“ für den dümmsten Film, der jemals gedreht wurde. Was ja auch ziemlich richtig war. Peter Biskinds Buch „Easy Riders, Raging Bulls“ (Rogner 8C Bernhard, 50 Mark) handelt von den Filmen, vor allem aber von Wben?“ den Regisseuren und Produzenten dieser herrlichen Jahre, die – wir ahnten es – den Drogen, dem Alkohol und dem Sex geschuldet sind, einer Explosion von Libertinage und Schamlosigkeit, die Hollywood seit je zugeschrieben wird. Wie aber Dennis Hopper, Peter Fonda, Peter Bogdanovich, Bob Rafelson, Steven Spielberg, Hai Ashby, William Friedkin, Warren Beatty, Jack Nicholson, Martin Scorsese, Coppola, Cimino und Lucas – die begabtesten Köpfe ihrer Generation – in dem Sturm untergingen, den sie selbst entfesselt hatten, das ist zugleich ein Slapstick und eine Tragödie.
Biskind setzt die Zäsur zu Opas Hollywood bei „Bonnie And Clyde“, dem letzten von Jack Warner überwachten Film. Der Tycoon verschwand während der Vorführung auf der Toilette und beschwerte sich anschließend, dies sei ein Film, bei dem er dreimal pissen musste. „Wovon zum Teufel handelt er?“ Beatty versuchte zu vermitteln: „Es ist eine Hommage an die alten Gangster-Filme.“ Warner: „Was ist eine Hommage?“
Der Erfolg von „Bonnie And Clyde“ eröffnete dem durchgeknallten Dennis Hopper die Chance zu „Easy Rider“, und nachdem dieses Hippie-Manifest ein paar Millionen Dollar eingespielt hatte, suchten plötzlich alle Studios nach Regisseuren, die kleine, schmutzige, irgendwie europäische Filme drehen konnten. Es entstanden „French Connection“, „Mean Streets“, „The Last Picture Show“, „M.A.S.H.“, „Der Pate“, „Der Exorzist“, „The Deer Hunter“, „Taxi Driver“, „Nashville“, „Raging Bull“.
Auch die unvergessene Nastassja „Reifeprüfung“ Kinski war dabei. Sie verriet Schrader: „Ich ficke mit all meinen Regisseuren.“