DEN CLIP-KANAL VOLL

Daß sie an die explodierenden Produktionskosten die Axt anlegen müsse, hat die Musikindustrie bereits seit Jahren angekündigt. Doch mit den Musikvideos verhält’s sich wie mit Abrüstungsverhandlungen: Die Notwendigkeit wird zwar eingesehen und wortreich beteuert – den ersten Schritt will trotzdem niemand tun.

Nachdem die Produktionskosten der 3-Minuten-Streifchen inzwischen aber selbst die Schallmauer von einer Million Dollar durchbrochen haben, folgen auf die Lippenbekenntnisse tatsächlich Taten. „Wir haben damit begonnen“, so Atlantic-Vize Ron Shapiro in New York, „das Thema Video komplett zu überdenken. Bereits im letzten Jahr haben wir die Produktion deutlich gedrosselt – und werden das 1998 noch forcieren.“

Udo Lange, der deutsche Virgin-Statthalter, hat ausgerechnet, daß „wir im letzten Jahr für heimische Videos circa vier Millionen Mark ausgegeben haben“. Was sicher immer noch eine sinnvolle Investition wäre, würde nicht das Gros dieser Produktionen gleich in den Müll wandern. Bei MTV wurden im letzten Jahr 1870 Clips eingereicht, aber nur ein paar hundert tatsächlich eingesetzt. VIVA darf sich wöchentlich zwischen 70 Kandidaten entscheiden, bringt aber nur sechs in der begehrten „N1“-Rotation – und vier weitere auf der Nachtschiene unter. Zähneknirschend muß die Plattenindustrie registrieren, daß sie den Clip-Kanälen kostenlos Programm liefert, ihre Investition aber von vornherein Makulatur ist. Und nicht nur sie ärgert sich über die katastrophale Ausfallquote: Der Künstler selbst ist in der Regel mit bis zu 50 Prozent an den Produktionskosten beteiligt.

In den USA heißt deshalb längst die Devise: abwarten und den Markt beobachten – Videos werden erst dann gedreht, wenn andere – weniger kostenintensive – Medien auf einen neuen Titel reagieren. Und da beginnen die Probleme der Sender, die ihre verwöhnten Kunden mit frischem Bilder-Gehackten bedienen müssen. Auf die Frage „Wo bleibt der Clip“ heißt’s dann lapidar: „Es gibt keinen.“

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