Demütig zufrieden
Auf seinem neuen Album interpretiert der melancholische Spötter und Songschreiber Stephan Sulke seine alten Lieder.
Stephan Sulke, der Großvater des deutschen Chansons, der Schnulzen singende Poet. Seit Mitte der 60er-Jahre hat der Sohn deutscher Juden mit der Kunst zu tun, schrieb Hits für sich und andere, verschwand von der Bildfläche, tauchte wieder auf. Hatte als Teenager eine Minikarriere in den USA, betrieb ein Tonstudio, war Anfang der Siebziger der Tonmeister des Montreux Jazz Festivals, verkaufte Aufnahmetechnik, präsentierte sich als Bildhauer. Sulke wurde nach der Flucht seiner Eltern aus Nazi-Deutschland in China geboren, lebte in der Schweiz, in den USA und in Frankreich. Im Gespräch ist er weniger melancholisch als in seinen Liedern, dafür lakonisch, klug, sarkastisch. Für sein neues Album „Enten hätt‘ ich züchten sollen …“ hat Sulke teilweise alte Lieder neu aufgenommen und stellenweise deutlich verändert.
Herr Sulke, ist Ihr neues Album eine Bestandsaufnahme Ihres musikalischen Schaffens?
Nein. Ich fand einfach, dass man einige meiner Songs besser produzieren kann. Außerdem gibt es auch so Altersprobleme: Als ich vor 30 Jahren vom „leicht verwelkten, Schnulzen singenden Poeten“ sang, war das zu früh. Verwelkt bin ich erst jetzt.
Am besten gefallen mir die Lieder, die sie fast allein zum Klavier singen, etwa „Ich hab‘ dich bloß geliebt“.
Ich erinnere mich, dass ich damals ein mulmiges Gefühl wegen der sexuellen Bilder hatte. Aber dann kam Grönemeyer mit seiner Version und verkaufte drei Milliarden Platten mehr als ich! Diesmal wollte ich es ganz schlicht machen. Je stärker dein Text ist, umso weniger darfst du interpretieren, sonst wird es Kitsch.
Mich erinnert das Lied an Dylans „Make You Feel My Love“.
Ja, ja, Dylan ist ja auch so ein arroganter Hund wie ich. Er kann saugut danebeninterpretieren.
Auch „Uschi“ ist auf dem Album. Haben Sie von dem Lied nicht die Nase voll?
Wer behauptet, keinen Spaß am Erfolg zu haben, lügt. „Uschi“ ist eine Art Volkslied geworden, das haben mir einige Leute übel genommen. Als könne man so etwas mit dem Rechenschieber planen.
Sie gelten als kreativer Tausendsassa, der sich nie zwischen seinen Begabungen entschieden hat. Liegen die Musik, die Tontechnik und die Bildhauerei nicht aber in Wirklichkeit sehr nah beieinander?
Das ist gut beobachtet. Ich hatte einen älteren Bruder, der finanziell wesentlich erfolgreicher war als ich, aber viel lieber ein Poet gewesen wäre. Er hatte einen bissigen Neid auf mich und sagte mir einmal: „You are a donkey, Stephan. A stack of hay here, a stack of hay over there, but you don’t want to choose. That’s why you are going to starve to death.“ Diese Geschichte mit dem Verzetteln stimmt eindeutig – mein Leben ist in mancher Hinsicht eine kreative Katastrophe. Andererseits wächst man doch auch in die Dinge rein. Entweder du bist ein kreativer Hund oder nicht.
In Ihren Texten gibt es einen lakonischen, amüsierten Unterton. Nehmen Sie die Dinge nicht ernst?
Ich bin nicht der Typ, der sich über etwas aufregt, das er nicht ändern kann. Das habe ich von meiner Mutter gelernt: Guck nicht nach oben, guck nach unten. Man ist besser ein bisschen demütig zufrieden.
Aber woher kommt das Lakonische?
Diese Hybris, die unsägliche menschliche Arroganz, die lässt einem doch keine Wahl. Wir sind dieses wunderbar gebastelte Säugetier, das in die Tiefen des Universums sehen kann. Trotzdem haben wir die Idiotie des Neandertalers und schlagen uns tot. Da muss man doch ein bisschen lakonisch werden.
Ihre Eltern sind deutsche Juden, Sie haben in vielen Ländern gelebt, doch große Teile Ihres Lebens spielten sich hier ab. Wie ist Ihr Verhältnis zu Deutschland?
Ich erinnere mich an meine Mutter, wie sie mit 80 Jahren in ihrem Sessel sitzt, genüsslich eine Zigarette raucht und ein Glas Whiskey trinkt. Sie sieht etwas Schlimmes in den Nachrichten und sagt mit fast orgiastischer Lust: „Ach, wie schrecklich!“ Das ist so was von deutsch – ein erotisches Vergnügen am Untergang. Das ist Eichendorff, der Teutoburger Wald, die dunkle Romantik, das ist mir fremd. Ich habe also ein bisschen ein Heine-Syndrom. Denn auf der anderen Seite liebe ich Deutschland: die Sprache, die Vielfältigkeit, die technische Organisiertheit, das deutsche Chaos.