Die Ärzte – Dem Wahnsinn freien Lauf gelassen
Was sich Die Ärzte-Fans dieses Jahr unter den Christbaum legen: WKiller - die beste DVD der Welt" - Videos, Soap-Operas, Slotmachine und Karaoke - alles inklusive
Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft gehen Die Ärzte zum Frontalangriff über. Neben dem neuen Album „Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer!“ soll nun auch die DVD „Killer“ auf den Wunschzetteln ihrer Fans stehen.
Vor ihrer Trennung im Jahre 1988 waren die Berliner ja schon sehr gut im Geschäft, aber seit ihrer Reunion mit dem Album „Die Bestie in Menschengestalt“ (1993) gehören Die Ärzte zu den erfolgreichsten Bands der ja, man darf es ruhig laut sagen deutschen Rockgeschichte. Äußerst einfache und größtenteils Punkrock-orientierte Songs mit albern-pubertären, selbstironischen und plakativen „gesellschaftspolitischen“ Inhalten sind zwar nicht gerade das, worauf die Welt gewartet hatte, aber immerhin wirken Farin Urlaub, Bela B. und Rod Gonzalez auch im gereiften Alter erfrischend unbekümmert – was man von einigen ihrer Kollegen nicht behaupten kann – und genießen mittlerweile Narrenfreiheit.
Welche Band ihres Kalibers sonst würde es denn wagen, in die letzten Sekunden der Albumversion des Riesenhits „Ein Schwein namens Männer“ zwar leise, aber eindeutig hörbar das damals verbotene „Bullenschweine“ von Slime einfließen zu lassen? War schon ein Ding. Zwar nicht unbedingt subtil, aber immerhin ganz schön subversiv.
Das jüngst erschienene Werk „Killer – die beste DVD der Welt“ hat dank seiner systembedingten Möglichkeiten den großen Pluspunkt: Es erlaubt dem Berliner Spaß-Trio, den Wahnsinn nun endgültig per medialen Breitseiten knallen zu lassen: So
werden hier nicht nur alle seit 1993 produzierten Videoclips (mit englischen, spanischen und faszinierenden japanischen Untertiteln) präsentiert, nein, unsere drei Clowns in Musiker-Camouflage schildern Mann für Mann noch aus ihrer privaten – teils reichlich entrückten – Sicht, wie es mal zum jeweiligen Song oder Videodreh gekommen ist. Diese Kurzfilme zeichnet ein nicht zu leugnender Unterhaltungswert aus. Die Boy-Band-Persiflage „3-Tage-Bart“, die Bassisten-Beweihräucherung „Rod Loves You“ oder das trotz immanenter Haarprobleme der drei Akteure noch immer amüsant-aktuelle „Skinheads sind doof“-Video „Schrei nach Liebe“ zählen zu den Höhepunkten. Zu vielen Clips werden die Werdegänge mitgeliefert, was bei aufwendigen Projekten wie „Ein Schwein namens Männer“ oder „Goldenes Handwerk“ durchaus interessant und sehenswert ist. A propos interessant und sehenswert: Mit 167 Minuten Bildmaterial, exzentrischen, aber pfiffig gemachten Bedienungs-Menüs (im „Die-Ärzte-Hyperraum“), der „Die-Arzte-Slotmachine“ und der interaktiven Karaoke-Funktion zählt dieses DVD-Produkt tatsächlich zu einem der bis dato gelungensten seiner Art.
Eines der Extras ist z. B. die 19-teilige Soap-Opera namens „Die Arzte-WG“, die – spontan eines nachmittags konzipiert und abgedreht – dem Genre die Arschkarte zeigt. Hier werden so relevante Themen wie Rods Kiss-Puppen-Sucht und Farins Bananenbarrikade beim „Mensch ärgere dich nicht“ aufs Tapet gebracht. That’s life, das sind die wahren Sorgen; Dagegen ist „Marienhof“ ein Nichts. Aus den Archiven der „Harald Schmidt Show“ wurden alte Aufnahmen ausgegraben, die die Berliner bei ihren Interpretationen klassischer TV-Serien-Szenen aus „Die Biene Maja“, „Bonanza“, „Raumschiff Enterprise“ und „Lassie“ (mit Bela ab klugem Vierbeiner) zeigen. Zu guter Letzt versuchen die Quacksalber mittels alberner TV-Spots noch Staubsauger-Vertreter-mäßig, das eine oder andere Produkt an den Mann zu bringen.
Yes, daraufhat die Welt gewartet: ein Werk, (noch viel) besser als alle Ärzte-Songs zusammen.