Dem Jugendwahn hat er abgeschworen: John Mellencamp erprobt das Leben nach MTV
Irgendwann vor ungefähr 15 Jahren, als John Mellencamp noch „Cougar“ hieß und mit All-American-Rock-Hymnen wie „R.O.C.K. In The USA“ oder „Smalltown“ in obersten Chart-Sphären residierte, bat er seine damalige Band um einen kleinen Gefallen: „Bitte sagt mir rechtzeitig Bescheid, wenn ich so ein Erwachsenen-Rocker werde wie Neil Young.“ Es war nicht notwendig. Mellencamp, inzwischen 47, merkte spätestens nach einem Herzinfarkt vor vier Jahren selbst, daß das Alter an seine Tür klopfte. „Niemand mußte mir Bescheid sagen, daß ich nicht mehr jung und cool war. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Tom Petty. Ich sagte zu ihm: ‚Tom, es ist soweit. Die spielen uns nicht mehr auf MTV, im Radio laufen wir im Oldies-Programm – wir gehören nicht mehr zur Jugendkultur.‘ Man muß es akzeptieren: Wir machen jetzt Musik für Leute mit Familien, Kreditkarten, Autos und Verantwortung.“ Musik für Leute mithin, die Musik zwar noch mögen, diese jedoch zum überwiegenden Teil aus einer passiven Perspektive heraus konsumieren – Musik, die Plattenfirmen deshalb veröffentlichen, weil sie zwar wissen, daß sie keine Millionen verdienen werden, aber immerhin mit gestandenen Herrschaften vom Schlage eines Dylan, Young oder Mellencamp etwas für die abgewetzte Credibility tun können.
Die Auseinandersetzung mit seiner aus kommerziellen Gesichtspunkten obsolet gewordenen Position im Musik-Monopoly (und damit indirekt einhergehend der eigenen Vergänglichkeit) ist – neben zum Teil etwas diffusen, moraleinfordernden Ansätzen („Unser Land ist krank“), die sich dieser Tage interviewtechnisch am trefflichsten anhand der Clinton-Diskussion festmachen lassen („Wie oft war Euer Schröder verheiratet? Kein normaler Mensch regt sich über so etwas auf, nur 250 Millionen Amerikaner“) – das zentrale Thema auf John Mellencamp“, dem 12 Album im 25. Karrierejahr. „I look in the mirror/ What the hell happened to me/ Whatever I had has gone away/ I’m not the young kid I used to bei I knew this would happen/ But I was hopin‘ not today“, polemisiert der leidenschaftliche Provinzler aus Bloomington/Indiana in „I’m Not Ruruning Anymore“.
Ein feines Album hat er abgeliefert, all der latenten Bitterkeit zum Trotz. Mellencamp versucht erst gar nicht mehr, die verlorene Jugend wiedereinzufangen, so wie er es beim Vorgänger „Mr. Happy Go Lucky“ vergeblich versucht hatte, als er die Produktion der Platte dem Dance-Remixer Junior Vasquez anvertraute. Nur selten verläßt er diesmal die angestammten Pfade – und ausgerechnet der Country-Rap „Break Me Off Some“ ist denn auch der einzige Song, der seiner 14jährigen Teenie-„Ibchter gefällt.
Ansonsten überzeugt der ehedem rastlose Rocker mit Zeidosem in Sachen Produktion und Komposition. „Your Life Is Now“ mag durchaus als stärkster Mellencamp-Song seit „Cherry Bomb“ durchgehen, und in „Eden Is Burning“ gestattet er sogar den dazumal unbändig verliebten Jack and Diane“ einen kurzen Cameo-Auftritt – als frustriertes, desillusioniertes Ehepaar. Parallelen zum eigenen Hier und Jetzt mag Mellencamp allerdings nicht gelten lassen. „Ich bin rundum glücklich. Und ich werde mich nicht lächerlich machen, bloß damit meine Kids sagen, wie cool ihr Daddy doch noch sei.“