Deep Soul Raritäten
Raritäten im doppelten Sinne: Soul-Alben ohne Ausfälle und Alibi-Cuts, Raritäten aber auch auf dem Sammlermarkt. Angebot und Nachfrage. So kosten Originalpressungen der beiden ersten LPs von O.V. Wright auf Peacock Records derzeit je rund 300 Dollar in einwandfreiem Zustand, während die ersten beiden James-Carr-LP's auf Goldwax kaum unter 500 Dollar zu bekommen sind. Eine vierstellige Summe muß schon hinblättern, wer Al Greens Debüt-LP sein eigen nennen will.
Al-Green-LPs oder Dusty Springfields fabelhafter Exkurs „Dusty in Memphis“. Wie in der Hitschmiede Motown konzentrierte sich auch bei den größeren Soul-Labels des Südens alles auf 45’s, die in rapider Reihenfolge rausgehauen wurden. Weshalb es so gut wie keine durchweg hörenswerten Tamla-LPs gibt und auch nur ein knappes Dutzend essentieller Soumern Soul-Scheiben im 12inch-Format Für gewöhnlich wurden Alben lediglich zur Zweitverwertung kompiliert und für entferntere, hauptsächlich weiße Märkte. Entsprechend war der Aufwand, den man dafür betrieb, denkbar gering. Man nehme die letzten zwei, drei Hits des Künstlers plus B-Seiten und bitte ihn mal eben ins Studio, wo auf die Schnelle noch ein paar Filler-Tracks aufgenommen werden.
Die Songauswahl für LP-Tracks wurde nicht selten zwischen Tür und Angel getroffen. Ein altes Stück aus dem Live-Repertoire, ein Evergreen von annodazumal und ein paar Leihgaben aus den aktuellen Pop-Charts. Zimperlich war man dabei nicht. Was irgendwie in ein Soul-Kleid paßte, wurde prompt hineingezwängt. Was allein zählte, war der Sound. Und für den zeichneten die Session-Cracks verantwortlich. 5mg, Brother, sing, hieß die Devise. Den Rest besorgte eine gut geölte Maschine: die Hausband.
Definieren läßt sich der Memphis Sound nicht so leicht, aber charakterisieren. „It was a southern sound, a below-the-Bible-Belt sound“, sagt Steve Croppen „it was righteous and nasty. Which to our way of thinking was pretty close to üfe itself.“ Der Mann muß wissen, wovon er redet, auch wenn seine Hautfarbe hell ist und sein Geburtsort in den Ozark Mountains liegt Cropper war immer dabei, wenn in den Stax-Studios Musikgeschichte gemacht wurde. Was beileibe nicht heißen soll, daß die besten Platten der Soul Ära sämtlich auf Stax oder Atlantic erschienen wären.
Weit gefehlt. Eine Vielzahl kleiner, engagierter Labels machte sich um den Soul verdient, ohne je richtig Geld damit zu verdienen. Viele verschwanden bereits nach wenigen Veröffentlichungen, aber auch das minimiert ihre Meriten nicht. Was allein zählt, ist die Musik. Und die übertrifft die Platten marktfiihrender Konkurrenten oft an Intensität und Tiefe. Deep Soul. Beste Beispiele dafür sind die Labels Goldwax und Peacock, für eine Weile Heimstatt der beiden brillantesten Vokalstilisten des Soul: James Carr und O.V. Wright Carrs beste Platten erschienen auf Goldwax, bevor er vorübergehend bei Atlantic anheuerte, „You Got My Mind Messed Up“ (1966) und „A Man Needs A Woman“ (1968) gehören zum Fulminantesten und Fiebrigsten, was der Southern Soul zu bieten hat Dasselbe gilt für Wrights LPs für Peacodk,“(tfIth)0ntyFbr Tonight“ (1965) und „8 Men And 4 Women“ 1967). In den 70er Jahren wechselte Wright zu Hi Records, wo ihn Willie Mitchell unter seine Fittiche nahm. Ebenso wie Al Green, dessen Debüt-Album „Back Up Train“ 1967 auf Hot Line Music Journal erschien, einem winzigen Label, das mit Bell allerdings über einen potenten Vertrieb verfügte. Green (der sich damals noch Greene schrieb), machte mit seiner Combo The Soul Mates Musik zwischen Deep Soul und Trad-R&B, noch ein gutes Stück entfernt vom lasziven, gospeligen Timbre und den verschwenderischen Streichereinheiten der späteren Jahre.
Zu einer kreativen Macht im Soul wurde Hi erst in den 70er Jahren, nachdem Willie Mitchell das Label übernommen hatte und seine Produktionsideen zum Tragen kamen. Dabei war Hi schon 1957 ins Leben gerufen worden von Ray Harris, einem Rockabilly-Sänger, mit der Ambition, Hit-Instrumentals zu produzieren. Daher auch der Name, unter dem Mitchell dann mehr als ein Jahrzehnt später eine Soul-Tradition begründen half, sanft und seidig. Simply beautiful.