Erinnerung an David Crosby: Der verwöhnte Rebell
David Crosby, geboren am 14. August 1941, hatte ein bewegtes Musikerleben und eine stürmische Karriere.
Es gibt tausend köstliche Anekdoten über David Crosby. Eine geht so: Zu Beginn der 90er-Jahre, als er seine Karriere wieder in Schwung gebracht hatte, schlurfte er über die Treppen eines feinen Hamburger Hotels an der Alster. Im Restaurant des Hauses wollte er ein Interview geben. Er trug Turnschuhe, sein Jeanshemd hing über der Hose, wie immer war er unfrisiert. Ein Concierge eilte auf Crosby zu und wollte ihn aus dem Hotel weisen. Crosby war nicht überrascht, er hatte schon alles erlebt. Jemand sagte: „Dieser Mann ist DAVID CROSBY, er wohnt hier.“
Das Gesicht schon des jungen Mannes – das schüttere Haar, der Walross-Schnauz – sah aus wie für Mount Rushmore gemacht. Am 14. August 1941 wurde er – als David Van Cortlandt Crosby – in Los Angeles geboren. In den Annalen ist vermerkt, dass Crosby „rebellisch“, „verwöhnt“ und „mit dem Gesetz in Konflikt gekommen“ sei. Beste Voraussetzungen, um 1964 mit Roger McGuinn und Gene Clark, die damals gemeinsam in Clubs auftraten, die Byrds zu gründen. Die Band hatte mit Bob Dylans „Mr. Tambourine Man“ (1965) schnell Erfolg – die Byrds waren die amerikanischen Beatles. Sie zerstritten sich, Gene Clark verließ die Gruppe. Beim Monterey Pop Festival 1967 trat Crosby mit Buffalo Springfield (mit Neil Young und Stephen Stills) auf. McGuinn und Chris Hillman warfen ihn aus der Band.
David Crosby war es einerlei. Er tat sich mit Stephen Stills zusammen, als Buffalo Springfield sich aufgelöst hatten, und als Dritter kam der Engländer Graham Nash von den Hollies dazu. Gemeinsam nahmen sie „Crosby, Sills & Nash“ auf, das Manifest des Laurel-Canyon-Songwritertums.
Vorher hatte Crosby das Debütalbum von Joni Mitchell produziert, mit der eine kurze Liebesaffäre hatte. 1970 trat Neil Young dem Trio bei, die Supergruppe war nun die Supersupergruppe, und sie machten „Deja Vu“, die Superhippieplatte schlechthin. Nach dem Live-Album „Four Way Street“ (1971) trennten sie sich wieder, nicht für immer freilich.
David Crosby nahm nun das Wunderwerk „If I Could Only Remember My Name” auf, ein freies Flottieren in Melodien und Harmoniegesängen, das unverstanden blieb. Aber nicht bei Musikern, die Crosby schon damals als kalifornische Gottheit verehrten. 1974 kamen Crosby, Stills, Nash & Young noch einmal zusammen und brachten „So Far“ heraus. Bei der Tournee reiste man in Privatflugzeugen, nur Young fuhr im Bus. Die Drogen ruinierten alles. Neil Young verabschiedete sich, er hinterließ einen Apfel.
In den 70er-Jahren machte Crosby einige Platten mit Graham Nash, unterbrochen von einem CSN-Album. 1982 kam das Trio wieder zusammen und ging mit „Daylight Again“ auf große Tournee – in Deutschland führten sie 1983 die Sommerfestivals an. 1985 wurde Crosby wegen Rauschgiftbesitzes verhaftet, angeklagt und verurteilt – fast ein Jahr verbrachte er im Gefängnis. Neil Young versprach Crosby, dass er nach gelungenem Entzug eine Platte mit den alten Kameraden produzieren würde. Und so war es: „American Dream“ erschien 1988. Der Bewunderer Phil Collins engagierte ihn für sein Album „But Seriously“: Die Stimme im Hintergrund von „Another Day In Paradise“ ist David Crosbys. Collins produzierte dann das fabelhafte Comeback-Album „Oh Yes, I Can“ (1989).
Crosby ging wieder mit Stills und Nash auf Tournee, wurde 1994 wegen des Besitzes von Drogen und illegaler Waffen noch einmal verhaftet, gründete 1998 Crosby, Pevar, Raymond. Die Nachricht verbreitete sich, dass Crosby der leibliche Vater der beiden Kinder von Melissa Etheridge und Julie Cypher ist. Sie wollten den Besten. 1999 machten CSNY noch ein Album, „Looking Forward“. Nicht mehr so gut. Seit 2014 nahm Crosby wieder sehr entspannte Soloplatten auf, die klingen wie ein Blick aus seinem luxuriösen Blockhaus auf den ewigen Ozean. „For Free“ (2021) blieb seine letzte Platte.
David Crosbys allerschönster Song ist „Almost Cut My Hair”, die reine Poesie jener goldenen Zeit. „I feel like letting my freak flag fly“, überlegt der Erzähler. Muss wohl wegen der Grippe zu Weihnachten sein. Verstärkt die Paranoia – wie beim Blick in den Spiegel einen Polizeiwagen zu sehen.
Er schneidet seine Haare dann doch nicht. „I’m going to get down in that sunny southern weather/ And I’ll find a place inside to laugh.”
David Crosby starb am 18. Januar 2023 im Alter von 81 Jahren in Los Angeles.