David Chase
Wie Tony Soprano stammt er aus New Jersey, und auch sein Geburtsname - David De-Cesare - kann die Herkunft nicht verleugnen. Ideale Voraussetzungen also, um die größte Mafia-Sage aller Zeiten in Szene zu setzen, Fragen an den Produzenten David Chase.
Wie haben Sie das Thema Mafia recherchiert?
Schon als kleines Kindstand ich aut“solchen Geschichten. Mein Vater und ich sahen uns damab immer „The Untouchables“ an, von daher habe ich ein ganz gutes Gefühl für das Thema. Dan Gastleman, unsertechnischcr Berater, ist in New York stellvertretender Staatsanwalt, und er hat uns ausführlich erklärt, wie die Fünf Familien ihr Geld verdienen. Im Fall der Familie Soprano mit Glücksspiel und als Kredithaie. Das ist die Basis.
Denken Sie beim Produzieren oft: Ist das realistisch? Funktioniert das so?
Naja, ich schätze mal, es gab im Stadtgebiet von New York in 15 Jahren nicht so viele Morde wie bei uns in einer einzigen Staffel. Umgekehrt halten wir uns – für eine Mafia-Serie — aber doch eher zurück.
In „Der Pate“ gibt es den Gedanken, dass an alledem nichts persönlich ist – sondern alles rein geschäftlich. Bei den „Sopranos“ dagegen ist eigentlich alles persönlich.
Das liegt zum großen Teil an Jim Gandolfim. Tony ist wahrscheinlich weitaus nachdenklicher als der durchschnittliche Mafiaboss. Wahrscheinlich auch weitaus nachdenklicher als die meisten Wirtschaftsbosse.
Ist Tony denn gut in dem, was er macht?
Ich weiß nicht, ob er der Beste ist, aber er ist auf jeden Fall sehr gut. Und er ist nicht so wild auf Beachtung, dass er wichtige Gelegenheiten ruinieren würde… Allerdings denkt Tony Soprano über seine eigenen Fehler auch nie sehr lange nach.
Weil er immer nach vorne blickt?
Nein, weil er immer jemand anderem die Schuld gibt. Das macht ja am meisten Spaß, wenn man für diese Serie schreibt: dass keiner je für irgendetwas geradesteht. Jeder schiebt die Schuld an seinen Problemen auf andere. Und keiner sagt die Wahrheit.
Hat Tony seine Therapie geholfen? Oder ist das nur eine weitere Art der Rationalisierung?
Er hat keine Panikattacken mehr. Und ich glaube, bei ein paar Morden hat es ihm geholfen, er weiß jetzt, wie man mit manchem umgeht.
Glauben Sie persönlich an den Segen der Psychotherapie?
Ich glaube, dass Therapie kurzfristig wirklich helfen kann und dass man manchmal einfach jemanden zum Reden braucht. Aber die klassische Therapie, die sich endlos hinzieht und noch den kleinsten Aspekt deiner Kindheit untersucht, unterstützt nur eine Optermentalität.
Deshalb kommen die Leute ja auch immer wieder…
Therapeuten wollen nie, dass man aufhört. Ich kenne jedenfalls keinen, der sagt: „So, kleiner Vogel, jetzt tliegaus dem Nest.“ Was nicht heißen soll, dass mir Therapie nicht unglaublich geholfen hätte. Meine letzte Therapeutin. Lorraine Kaufman in Los Angeles, ist das Vorbild für die Figur von Dr. Melfi, der Therapeutin in „Die Sopranos“. Sie konnte einen auch so klar durchschauen.
Haben Sie die Serie mit ihr besprochen?
Nach drei oder vier Staffeln schrieb sie mir eine Analyse der Familie Soprano. Das ist jetzt keine Bibel, aber hin und wieder holen wir sie raus. Und seltsamerweise entwickeln und verhalten sich diese fiktiven Charaktere so, wie sie das als Möglichkeit vorausgesagt hat.
Wie vermeiden Sie, dass die Serie zur Seifenoper wird?
Gegen die Fernsehaspekte der Serie rebelliere ich ständig. Immer wenn ich das Gefühl habe, jetzt wird’s „Melrose Place“, werde ich sauer. Da habe ich das Gefühl, das drängt von außen herein.
Ist es schwer, eine Figur sterben zu lassen? Werden die Personen irgendwann lebendig für einen?
Nein. Ich mag sie alle sehr, aber sie sind nicht echt. Trotzdem geht mir dann auch etwas durch den Kopf wie: „Pussy war ein Spitzel. Er hat es nicht besser verdient!“ Und Adriana?
Bei Adriana war’s hart. Dass sie rausfliegen musste, tat uns allen leid.
Was haben Sie nach all den Jahren von Tony gelernt?
Vielleicht habe ich gelernt, dass es besser ist, Dinge sofort anzugchen und zu erledigen {lacht), statt sie ewig mitzuziehen und gären zu lassen.