Das Vinyl-Vermächtnis
Anfangs nahm JOHN LEE HOOKER jede Label-Offerte an, so er nur bezahlt wurde. Doch gehören diese frühen, kruden Aufnahmen zu den essenziellsten.
I never liked Chicago“, grummelte John Lee Hooker gern, „too many blues guitarists.“ Ihn selbst hatte es vom Delta nach Detroit verschlagen, wo er ab 1948 zahlreiche Singles aufnahm, für eine Palette von Labels, unter einem Dutzend Pseudonyme. Sein urbaner FoIk-Boogie-StiL getragen von den Open Tunings der primitivistischen Stakkato-Gitarre und dem volltönenden Blues seines Baritons, fand eine Menge Fans. Gleich die erste Single, JBoogie Chillen“, wurde aufModern Records ein Millionenseiler.
Hookers frühe LPs, die zwischen 1958 und 1961 auf Chess, Riverside und Veejay erschienen, waren naturgemäß meist nicht mehr als Compilations seiner wichtigsten Fifües-Werke: der essenzielle Hooker. Hervorzuheben sind hier vor allem „I’mjohn Lee Hooker“ (1959, 4,5),“//ouse Of The Blues“ (1960, 4,5) und John Lee Hooker Plays &Sings The Blues“(1961, 4,5 ), allesamt mit Frühfünfziger-Klassikern wie „The Journey“ oder „High Priced Woman“. 1959 und 1960 erschienen dann auf Riverside zwei Alben mit aktuellen, exklusiven Aufnahmen: die solo-akustische LP „The Country Blues Ofjohn Lee Hooker“ (4,0) und das im Februar’59 in New brk mit einem Bassisten und Schlagzeuger aufgenommene, Hookers Sixties-Sound bereits antizipierende Album „That’s My Story: John Lee Hooker Sings The /««“(4,5 Ebenfalls Ende der Fünfziger entstanden Aufnahmen, die erst Jahre später auf „Sittin‘ Here Thinkin'“ Veröffentlicht wurden und Hooker mit einer anonymen Rhythm Section sowie einem zweiten Gitarristen in entspannter Spiellaune zeigen, roh und holprig (3,5). Veejay brachte bis Mitte der Sechziger eine Reihe von Hooker-Platten heraus, die zwar nicht zu seinen unbedingten Meisterwerken gehören, jedoch wichtige Mosaiksteine darstellen für ein tieferes Verständnis seiner Kunst. „Travelin“ 1 (1962, 4,0 ) ist ein Konzept-Album über das Leben on the road, über Entbehrung und das Elend der Entwurzelten. „Hooker’s Blues can be grim but they are rarely defeatist“, heißt es in den Linernotes. Und tatsächlich kriegt der damals 45-Jährige oft noch im desolatesten Talking Blues über menschliche Desaster die Kurve zu einem Fünkchen Hoffnung. „The Big Soul Ofjohn Lee Hooker“ (1963, 4,0) ist Rhythm Blues mit Orgel und Bläsern, „Concerf AtNewport“ (1964, 3,5 ) dokumentiert Hookers intimen Rapport mit seinem stetig wachsenden Folk-Publikum.
Inzwischen war der Blues über England in die letzten Winkel der Welt gedrungen. Chess bediente das gestiegene Interesse 1966 mit seiner Real-Folk-Blues-Serie auch mit einer Edition von John Lee Hooker, nur dass „The Real Fblk Blues“ ‚(4,5 mit ländlichem Lament nichts zu tun hatte, sondern den Boogie-Man aus Clarksdale von seiner allerfinstersten Seite zeigte. Auf „Lire At Cafe Au Go-Go“ (1967, 3,5) ließ er sich von Muddy Watersund dessen Band begleiten, „Hooker’n’Heat“(1970, 3,5 ) paarte den Pionier mit seinen eifrigsten Schülern: Canned Heat Das Resultat war Boogie, elektrisch.
In Palo Alto, wo er 24 Jahre später sterben sollte, raffte sich Hooker 1977 zu gediegenen Neuaufnahmen diverser Klassiker auf wie „Sugar Mama“, „Louise“ und „Tupelo“. Aber auch „T. B.Sheets“ kam zu Ehren – auf „The Cream„(4,0), das Tomato als Doppel-LP veröffentlichte und auf dem ein solides Sextett das Backing liefert. Die 80er Jahre erwiesen sich für den inzwischen recht Betagten als ebenso unergiebig wie für den Rest seiner Kollegen, aber mit „The Healer“ (1989, 4,0) gelang ihm ein so unerwartetes wie musikalisch ambitioniertes Comeback. Eine ganze Schar bekannter Namen, von Bonnie Raitt und Robert Cray bis Carlos Santana, begleiteten den Veteranen.
Der Kreis seiner Helfer auf JUr. Lucky“ (1991, 4,5 ) war dann so illuster, dass sich John Lee Hooker bis auf Platz 3 der UK-Charts hochhangelte: Albert Collins, Ry Cooder, Keith Richards, Van Morrison. Ein stupendes Spätwerk, das in Sachen stilistischer Bandbreite und atmosphärischer Dichte vom Nachfolger „Boom ßoom“(4,0) fast nochmals erreicht wurde.