Das Tabu der Trauer
15 Kassetten, eine Liebe: In "Love is a Mix Tape" verarbeitet der Journalist Rob Sheffield viel mehr als seine Leidenschaft für Musik
Jetzt bitte keine falschen Vorstellungen. Roh Sheffield, 41, ist zwar Redakteur beim amerikanischen Rolling Stone. Und sein Buch heißt „Love is a Mix Tape“ Eine Geschichte von Liebe, Leidund lauter Musik“ (Kiepenheuer & Witsch). Aber mit der üblichen Popliteratur, die sich an Song-Referenzen entlang hangelt und sonst nicht viel zu erzählen weiß, hat dies hier nichts zu tun. Stattdessen erzählt Sheffield eine große, tragische Liebesgeschichte, die seine eigene ist. 1989 lernte er Renee in Virginia kennen, 1991 heiratete er sie, 1997 war er plötzlich verwitwet – Lungenembolie. Eine Liebe im Schnelldurchlauf, viel zu kurz, aber so intensiv, dass sie jede Seite mit Leben füllt.
Die Geschichte von Sheffields Mix-Tapes beginnt allerdings schon 1979, mit den Beatles, so wie fast jede Musikbegeisterung mit den Beatles beginnt, weil man – wie der kleine Rob – merkt: „Das ist schon irgendwie besser als ,Hold The Line‘.“ Als er schließlich seine große Liebe trifft, ist er bereits ein bisschen weiter. Beide arbeiten beim Radio, doch er ist ein schüchterner Stubenhocker, sie eine extrovertierte Abenteuerin. Renee hasst die Smiths, er liebt sie, bald verehren beide Pavement. Wenn sein Südstaaten-Mädchen ihm Kassetten aufnimmt, ist immer ein R.E.M.-Song dabei. Er bewundert sie, und das beschreibt Sheffield so detailliert undzärt-Iich, dass es einem das Herz bricht. Er vergisst dabei nicht die schlimmen Momente, die Ängste und Streitereien um Geld, Telefon und den Cure-Song „Let’s Go To Bed“, aber über allem liegt immer das Gefühl: Die ist es, die eine. Nebenbei bewertet er Kurt Cobain neu, verliert wegen der Freundlichkeit der Menschen in seiner Umgebung jeden Zynismus – und zieht 2002 nach Brooklyn, wo dieses Buch endet.
Dort baten ihn all die Kartons mit Mix-Kassetten darum, endlich ihre Geschichte aufzuschreiben. Aber Sheffield wartete lieber noch ein paar Jahre: „Ich bin froh, dass ich mich nicht gezwungen habe, das Buch zu schreiben, bevor es an der Zeit war. Ich musste erst einen neuen Ort finden, wo ich hingehörte. Vorher wäre es zu gefährlich gewesen, in der Vergangenheit zu verweilen, weil ich immer diese Versuchung spürte, mich in meiner Erinnerung zu verstecken und niemals wieder rauszukommen. Das ist definitiv ein irisches Laster!'“
Neulich kam er von einer Interview-Reise zurück und wurde von der Security des La Guardia-Flughafens aufgehalten. Sie fanden – neben einem iPod – auch einen Waikman in seiner Tasche und wunderten sich sehr. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich es mag, wie Kassetten klingen. Ich bin sicher, dass das jetzt in meiner FBI-Akte steht.“ So witzig Sheffield ist, er erspart einem nicht die Tränen, denn „Love is a Mix Tape“ hat nun mal kein Happy End. Als das Buch schon fertig war, erschienen Joan Didions Aufzeichnungen „Das Jahr magischen Denkens“, in denen sie über den Tod ihres Ehemanns reflektiert. Für Sheffield war das Fluch und Segen zugleich: „Trauer ist als Thema so ein Tabu, es gibt gar nicht so viel Literatur dazu. Didions Buch ist definitiv das beste, das je darüber geschrieben wurde, wie es ist, verwitwet zu sein. Ich dachte: i. Ich wünschte, dieses Buch hätte schon vor zehn Jahren existiert, weil es so ehrlich und weise ist und wirklich nützlich gewesen wäre. 2. Zum Glück habe ich mein Buch schon geschrieben, sonst wäre ich unglaublich deprimiert gewesen, dass ihres so viel besser ist!“