Das Piano & ich
Sarah McLachlan über die Leiden des Singer-Songwriters
„Es war ein ziemlicher Stress“, entschuldigt sich Sarah McLachlan. Am Vorabend hat sie im feudalen Plüschkasten des Garrick Theatre am Londoner Leicester Square einige Stücke aus ihrem neuen Album „Afterglow“ vorgestellt. Allein am Flügel, in Jeans und T-Shirt. Schlicht wunderbare Songs. Aber die Bühne im Garrick Theatre, erklärt die Kanadierin, sei eben die eines traditionellen Schauspielhauses, also schräg nach vorn abfallend, was fürs entspannte Klavierspielen ein Handicap sei. „Ich war sieben Jahre lang aus der Musikszene verschwunden“, lächelt sie, „da möchte man einen guten Eindruck machen. Und dann sowas!“ Tatsächlich, sieben Jahre. Nach der Veröffentlichung von „Surfacing“ war McLachlan zunächst in eigener Sache unterwegs und hatte dann mit dem Wanderzirkus singender Frauen, „Lilith Fair“, ein Tournee-Konzept entwickelt, das zu einem der erfolgreichsten aller Zeiten wurde. „Es war zunächst wundervoll, einfach mit einem Haufen Frauen unterwegs zu sein, aber am Ende der drei Jahre – drei Jahre! – war ich zur Geschäftsfrau geworden und hatte keine Zeit mehr für neue Musik. Und außerdem machten die Leute mich zur Gallionsfigur der neuen feministischen Revolution. Meine Güte, darum hatte ich nicht gebeten.“
Die Pause, die Sarah McLachlan nach dem letzten Turnus von „Lilith Fair“ ausrief, wurde ein auf andere Art nicht weniger fordernder Lebensabschnitt: Kurz vor der Geburt von McLachlans erstem Kind erkrankte ihre Mutter schwer an Krebs und starb einige Monate darauf, genau wie der Vater von Ehemann und Trommler Ashwin Soods. Eine schwere Zeit. „Ich stand unter diesem irren Druck, eine neue Platte machen zu müssen. Aber als ich mit dem Schreiben begann, hasste ich es – erst als ich mein Piano für einige Monate nicht angeguckt hatte und mich langsam an all die dramatischen Veränderungen gewöhnt hatte, konnte ich mir langsam eine neue Platte vorstellen.“
Dem häufig gemachten Vorwurf, der fließend-melancholische Songwriter-Pop von „Afterglow sei kaum mehr als eine Wiederholung, will McLachlan nichts entgegensetzen. „Ich verarbeite Informationen aller Art extrem langsam, und deshalb wäre es sehr unehrlich gewesen, jetzt plötzlich meine Richtung drastisch zu verändern. Ich habe lange gebraucht, eine musikalische Welt für mich zu entwerfen, die mir wirklich entspricht. Ich habe nicht vor, sie gleich wieder zu verlassen.“