Das perfekte Debüt
Der britische Journalist Tom Rachman sorgte mit seinem Romandebüt „Die Unperfekten“ erst für Aufregung bei den US-Verlagen, dann für Begeisterungsstürme der Kritiker.
Vor zwei Jahren wütete auf der Frankfurter Buchmesse unter Amerikas Top-Literaturagenten ein regelrechter Preiskrieg um das Romandebüt eines damals 34-jährigen Journalisten. Sein Name: Tom Rachman. 1974 in London geboren, im kanadischen Vancouver aufgewachsen und als Korrespondent für die Agentur Associated Press schon in der ganzen Welt unterwegs.
Die Idee zu seinem Roman kam ihm, als er in Paris bei der „International Harald Tribune“ angeheuert hatte. „Ich habe versucht, darin Journalismus und Literatur zu verbinden, Faction zu schaffen auf der Grundlage meiner Redaktionserfahrungen“, sagt Rachmann. „Anders als Autoren wie Franzen oder Safran Foer sehe ich meine schriftstellerischen Wurzeln nicht in der Art von Literatur, die in all diesen berühmten Workshops entsteht.“
„Die Unperfekten“ (dtv, 14,90 Euro) heißt das Buch, das schließlich unter einer der höchsten Vorschusszahlungen der letzten zehn Jahre beim Buchgiganten Random House landete und nun auch auf Deutsch erscheint. Ein Episodenroman aus elf längeren Stories, die Rachman mit Leichtigkeit zu einem homogenen Ganzen verschmolzen hat. „Ich liebe die Short Story als erzählerische Form und weiß, dass sie eine ganz spezielle Wirkung auf den Leser hat“, sagt er. „Deshalb habe ich bewusst auf das Episodische gesetzt, auch wenn es am Ende ein Roman sein wollte.“ So liest sich sein Buch, das Geschichten aus dem Alltag einer englischsprachigen, in Rom ansässigen Zeitung erzählt und nebenbei ein knappes Dutzend Zeitungsmacher porträtiert, wie der Rundgang eines hellwach beobachtenden Besuchers durch eine Handvoll Redaktionsräume, in denen sich all das finden lässt, womit sich dort ihr Berufsleben zubringende Menschen für gewöhnlich tagtäglich herumzuschlagen pflegen: Neid, Missgunst, Konkurrenzdenken und das ewige Gefühl, nicht genug Beachtung für das zu finden, was man tut. Angefangen bei Arthur, dem Nachrufschreiber, der, „weit entfernt vom Zentrum der Macht“, mit seinen Sätzen gelebte Leben in druckfähige Kurzbeiträge zu verwandeln hat. Bis er eines Tages seinem eigenen journalistischen Instinkt mehr vertraut als den Vorgaben seines halsstarrigen Vorgesetzten – und dafür kurzerhand zum Kulturchef expediert wird, sodass er am Ende „nicht mehr so nahe am Schrank mit den Stiften“, sondern „näher am Wasserspender“ sitzt – und damit wieder „näher am Zentrum der Macht“.
Wenn Rachmans Charaktere eines eint, dann ihr geradezu verzweifeltes Ringen, nicht als nächster von der Lohnliste der mehr und mehr in ihrer Existenz bedrohten Zeitung gestrichen zu werden. So schreckt der alte, längst ins Abseits geratene Pariskorrespondent Lloyd nicht einmal davor zurück, mit alles andere als gesicherten Geheiminformationen seines angeblich im französischen Außenministerium arbeitenden Sohnes an den Nachrichtenchef des Blattes heranzutreten, um sich mal wieder gedruckt zu sehen. Das überraschende Ende dieser Episode ist nur eine der zahlreichen großartigen und höchst überraschenden Pointen des Romans. Einem Buch über Menschen, die zäh um ihr kleines, scheinbar zwischen gedruckten Buchstaben liegendes Glück ringen – und die dabei auf Umwegen etwas ereilt, das sie unversehens klüger macht: Einsicht und Selbsterkenntnis.