Das musikalische Versuchslabor: dEUS gehen der Eindeutigkeit aus dem Wege
Im Moment ist alles prima, hier unter der Sonne. „Mit der Stadt verbinde ich ein seltsames Erlebnis“, sagt Tom Barman, der den Blick dabei über ein imposantes Gewässer schweifen lassen darf, weil die Plattenfirma den „Alsterpavillon“ für das Interview gewählt hat „Bei unserem letzten Konzert hatte ich hier eine, nun, Affäre mit einem Mädchen. Ich lernte sie nach dem Auftritt kennen. So sah die Situation zumindest oberflächlich betrachtet aus. Tatsächlich aber hatte ich das Mädchen schon beim ersten Konzert in Hamburg getroffen. Wir taten nur so, als ob wir uns noch nicht kennen würden. So mußten wir die Zeremonie des Annäherns noch einmal durchspielen. Ja, das verbinde ich mit Hamburg.“
Wobei diese Geschichte, die für das neue Album „In A Bar, Under The Sea“ in dem Song „Roses“ aufgegriffen wird, eigentlich wenig über Hamburg sagt, aber viel über Barmans Band dEUS. Denn von Situationen, die nie ganz aufgelöst werden, wimmelt es in den Texten der Belgier. Da kann es nicht verwundern, daß Barman ein Bewunderer des Regisseurs John Cassavetes ist, der emotionale Konflikte wie kein Zweiter geschildert hat, ohne Erklärungsmuster mitzuliefern. Der Song „Opening Night“ ist eine Verbeugung vor dem gleichnamigen Cassavetes-Werk – und nach Juliana Hatfields Song „Mable“ schon die zweite der Pop-Fraktion.
Alles so kompliziert hier auf der Erde, unter der Sonne. Wie sieht es aus in einer Bar, die unter der See liegt? Da ist alles easy. Weil: Mußt dir ja nicht mal Gedanken machen, ob es Morgen regnet. In „Disappointed In The Sun“, aus dessen Epilog der Titel zum neuen Album stammt, singt Barman die zentralen Zeilen: „Circumstancial situations, now I know what people meant/ Beware of the implications, God I’ve had enough of thetn.“ dEUS sind eine offene Angelegenheit Sie kümmern sich wenig um Implikationen und Reaktionen – Hauptsache, alles bleibt schön in Bewegung. Tom Barman: „Die Worte zu ‚Disappointed In The Sun‘ stammen von mir, aber die Komposition geht auf Rechnung des Pianisten Piet Jorens. Der wird jetzt wahrscheinlich Mitglied von dEUS.“ So wie der Schotte Craig Ward letztes Jahr in das Unternehmen einstieg, nachdem Rudy Trouve die Band verlassen hatte. Für dEUS ist Offenheit die Grundlage für Stabilität Gerade hat Stef Kamil Carlens die Band verlassen, weil er sich verstärkt um sein Projekt „Moondog Jr.“ kümmern will. Und den dürren Artisten hätte man nun wirklich für unersetzbar gehalten. „Mir gefällt die Vorstellung von einem Workshop, in dem alles offen gehalten ist“, sagt Barman.
Ein Workshop im Pop-Format Auf „In A Bar, Under The Sea“ wirkt die Zwanglosigkeit zwar zeitweise erzwungen, doch als Ganzes stellt es einen schlüssigen Nachfolger für „Warst Case Scenario“ dar, dem unvorsehbar erfolgreichen Debüt von dEUS. Ein weiteres Mal verhandeln sie auf der Basis von Harmonie (Beatles) und Rhythmus (Cpt Beefheart) die unterschiedlichen Elemente, ohne sich große Gedanken über Implikationen zu machen. dEUS können ein Stück wie die erste Single „Theme From Turnpike“ mit kargem und zerklüftetem Beat einspielen, ohne viel darauf geben zu müssen, was so über TripHop geredet wird. Wer frei sein will, muß fürs Bier tief tauchen.