Das Leben eines Taugenichts
Die coolste aller ungekämmten Katzen in New York zu sein, war Disco-Rock-Produzent James Murphy zu wenig. LCD Soundsystem ist seine Band, die alles richtig macht.
Was Überhitzung und Sauerstoffmangel im Kopf so alles anrichten können. Ich meine: Dieser Mann geht noch immer in Clubs, auch in enge, dunkle, vergiftete. Der schleppt als Super-Produzent seine Plattenkiste lieber selbst, beziehungsweise jetzt, wo er wieder eine Band hat, den Gitarrenverstärker.
Als James Murphy, 35, in den 90ern in New Jersey Punkrock-Schlagzeuger war, musste er oft auf dem Boden schlafen, wenn die Bands auf Tour waren, das hat ihm irgendwann gestunken. Ein paar Jahre und Verwicklungen später hatte Murphy im West Village von Manhattan ein eigenes kleines Studio, mit einer Discokugel in jedem Raum, da war er zusammen mit dem Freund Tim Goldsworthy das heiße Produzenten-Duo DFA, die Neptunes des Dance-Punk. Und Murphy übernachtete im Studio, weil er keine gescheite Wohnung hatte, setzte sich morgens im Schlafanzug ans Mischpult Dass er jetzt doch wieder in einer Band ist, LCD Soundsystem, und sich bald wieder auf die Auslegeware legen muss (theoretisch zumindest), kann man nur mit Ungeduld erklären.
Er sei der erste gewesen, der den Rock-Kids im CBGB’s Daft Punk vorgespielt hat, singt Murphy in „Losing My Edge“, dem schon älteren ersten Hit seiner Band. Das ist nur Spaß, denn für den Song schlüpfte er in die Rolle des Super-Nerds, aber mit DFA war es echt so ähnlich: 2001 gaben Murphy und Goldsworthy Partys in ihrem Studio, beobachteten Punks bei ihren ersten Ecstasy-Erfahrungen. „Es war irr“, sagte Goldworthy damals, „Freunde, die sonst nur Rock hörten, machten Headbanging zu Donna Summers „I Feel Love“. Unter den Leuten war die Band The Rapture, für die DFA dann „House Of Jealous Lovers“ produzierten. Ob das die Rückkehr des Post-Punk-Dance oder eine ganz neue Kernschmelze war, hängt vom Blickwinkel ab, es hatte auf jeden Fall Folgen.
„Wir reden hier nicht über das polierte Studio 54, sondern über die Paradise Garage und das The Loft, Frühe Discomusik war Underground, wie Punkrock“, sagt Murphy, „schwuler, schwarzer Punkrock.“ So gesehen sind LCD Soundsystem (im Studio Murphy allein, live zu fünft) vielleicht heterosexuelle, weiße Discomusik. „Wir produzieren die Sachen so, dass sie auch mit Gitarren gegen Techno- und House-Platten bestehen können.“ Und gegen schrottigen Italo-Disco, muss man ergänzen. Die Tracks haben Murphys Gesicht, wenn er zu singen anfangt, in der Balance zwischen Schärfe und Schlurfigkeit. Die Tracks kriegen zerstörerische Schwanzflossen, wenn zum Beispiel beim neuen LCD-Hit „Movement“ die Gitarren aus dem Acid-Beat herausplatzen und ins Schlagzeug stolpern, das auch zu programmiertem Gesäge spielt. Den Rummel um die Band hat vor allem die anerkannte Super-Coolness von DFA ausgelöst, klar. Eine meinetwegen niedere Form von Pop-Magie.