Das kleine Königreich
Tim Finn hat den weitaus größeren Erfolg seines jüngeren Bruders Neil überwunden und widmet sich seinem gepflegten Songwriter-Pop
Ob es eigentlich schwer gewesen sei für Tim Finn, den großen Erfolg des kleinen Bruders hinzunehmen, fragte eine Moderatorin Neil Finn kürzlich in einem TV-Special zur Split Enz-Reunion-Tour, und ob das wohl eine Belastung für die Geschwister gewesen sei. Eine gemeine Frage – Neil Finn windet sich, bis er schließlich zugibt, sein älterer Bruder habe „wohl so seine Momente“ gehabt. Tim Finn, dessen musikalische Blüte außerhalb von Neuseeland mit dem Ende von Split Enz vorüber war. Tim Finn, der bei Crowded House nur eine kleine Rolle spielte. Tim Finn, dessen Solokarriere nicht recht in Gang kam, während der Bruder ins Pantheon der besten Songwriter aufstieg. Sicher hat man da so seine Momente. „Wir sind sehr unterschiedliche Menschen und haben nicht viel miteinander zu tun, wenn wir nicht gerade gemeinsam musizieren“, so Tim Finn, der noch keinen Ton von Neils im Frühjahr 2007 erscheinenden dritten Solowerk gehört hat. „Wir spielen uns unsere eigenen Sachen nicht gegenseitig vor. Warum sollten wir das tun? Unsere Urteile helfen uns einfach nicht sehr viel weiter.“
Nichtsdestotrotz blicken die beiden gerade auf eine lange Zeit gemeinsamer musikalischer Aktivitäten zurück. Die Split Enz-Tournee, das Finn Brothers-Album „Everyone Is Here“ samt Welttour – zwei, drei Jahre, in denen sich die Finns an ihre musikalischen Anfänge und zweistimmigen Kindergesänge im Flur des Elternhauses erinnerten und den Begriff Heimat beleuchteten. „Das war eher ein Intermezzo als eine Lebensbeichte“, ordnet Finn ein, „wenn sich die Dinge nicht zufällig so entwickelt hätten, hätte ich meine eigene Platte längst fertig gehabt.“
Also schließt „Imaginary Kingdom“, das siebte Solowerk von Tim Finn, direkt an das hierzulande nur auf dem Postweg zu habende „Feeding The Cods“ von 2001 an. Finn ist Mitte 50, hat aber zwei kleine Kinder und viel Elan zum ganz regulären Weitermachen. „Viele Songwriter haben in ihren Vierzigern ein Problem mit dem Komponieren, weil sie nicht mehr wissen, wer sie sind“, erklärt er. „Damit bin ich durch. Ich muss nichts mehr beweisen.
„You know, I found my mojo again .“ Und so beschreibt er den Prozess des Songwriting als imaginäres Königreich im Kopf und seine Lieder als chinesische Vasen, kleine Variationen einer ewigen Form, deren Schönheit nicht im Grundsatz, sondern im Detail steckt. Wir nehmen das hin, ob. wohl „Imaginary Kingdom“ eine Platte nur für solche Leute ist, die hier schon einen langen Weg mitgegangen sind – der Songwnter-Pop ist nicht ohne Höhepunkte, dekliniert aber vor allem alte Tugenden.
Ob es in nächster Zeit wieder zu einer Zusammenarbeit mit Bruder Neil kommen wird, weiß Tim Finn nicht. Pläne gebe es keine. Schließlich war es immer die Spontaneität, die hier zu Ergebnissen führte.
„Vielleicht könnten wir etwas Kleines einschieben“, hat er doch schon wieder eine Idee, „eine rein akustische Platte, schnell aufgenommen, nur mit uns beiden drauf.“ Das wäre doch was.