„Das ist eigentlich ’ne Stimmung!“
Jahcoustix schreibt Songwriter-Reggae, der gut auf Friedens-Demos und Wagenburg-Feste passt, und wird so zum Troubadour der Generation Attac
Was ist denn das für ein Typ, der sich ohne Zwang Jahcoustix nennt? Das klingt nach Cotnix, Sonx oder dem Kassenwart eines Asterix-Fandubs. Dazu kommen unschöne Assoziationen an die bemüht originellen Namen schwäbischer Provinzbands: Schwoißfuaß, ick hör dir trapsen!
Dominik Haas, der sich dieses Pseudonym ausgesucht hat, empfindet dennoch keinerlei Schuldgefühle: ‚Jahcoustix ist eigentlich ’ne Stimmung“, behauptet der 26-jährige Münchener, und seine dunkelblonden Dreadlocks fallen ihm dabei wie Plüschschlangen über Schultern und Rücken. „Der Name ist die Verbindung von zwei Wörtern: Jah‘ steht für die spirituellen Elemente meine Musik, ‚Coustix‘ für die überwiegend akustische Umsetzung.“ Sein Debütalbum, das schlicht Jahcoustix“ heißt, klingt wie ein netter Mix aus Finlay Quaye, UB 40 und Patrice, ein Songwriter-Album von sympathischer Naivität und mit starker Reggae-Komponente: „Ich bin kein überzeugter Rasta. Aber ich bin überzeugt, dass Marcus Garvey ein Prophet war – genau wie Haile Selassi, Jesus und Ghandi.“
Wenn man mit Jahcoustix eine Weile zusammensitzt – noch dazu im Hamburger Schanzenviertel, wo mehr blonde Rastas unterwegs sind als in jeder anderen deutschen Stadt – gewinnt man bald den Eindruck, dieser beredte Junge weiß sehr genau, was er da tut. Und das nicht nur, weil er das Geschäft bei einem Münchener Major-Label gelernt hat: „BMG wollten mich nach meiner Ausbildung als Künstler unter Vertrag nehmen, aber das wollte ich nicht Stattdessen habe ich akustische Versionen meiner Songs aufgenommen und sie an fünf oder sechs Firmen geschickt.“
Universal reagierten als erste und boten einen Artist-Development-Vertrag. Zusammen mit Mathias Arfmann, der auch die Beginner und Patrice im Studio optimierte, produzierte Jahcoustix vier Songs, die ihm dann aber einen Deal mit Virgin brachten. Man kann davon ausgehen, dass Haas den Vertrag vorher ausgiebigst geprüft hat: „Durch meine Zeit bei BMG weiß ich genau, wo der Hase lang läuft. Jedes Mal, bevor ich etwas unterschreibe, muss das mein Anwalt checken.“
Doch Jahcoustix, der auch weiterhin bei seiner Reggaeband namens Dubios Neighbourhod singt, ist kein überschlauer Schnösel im Hippie-Gewand: Als Sohn eines Diplomaten und Botschafters hat er nur einfach schon sehr viel von der Welt gesehen. Er hat in Mexiko, Liberia, New York, Kenia und Ägypten gelebt Am prägendsten waren die fünf Jahre in Nairobi, denn hier entdeckte er die Platten von Bob Marley und Peter Tbsh, hier begann er, selber Songs zu schreiben, und hier spielte er in einer Schulaula sein allererstes Konzert Die Zeit in der Fremde hinterließ Spuren: „Ich habe in Kenia wirkliche Armut gesehen und frage mich manchmal: Worüber beschweren sich die Leute hier eigentlich? Die haben doch alles! Auf der anderen Seite darf man diese zwei Welten nicht vergleichen. Aber es passiert momentan so viel in der Welt, dass es verantwortungslos wäre, dazu nichts zu sagen.“ Deshalb setzt er sich hin und schreibt Songs wie „New World Order“, wo der Bass wütend pumpt und die Beats klatschen wie einst bei Black Uhuru. Der Junge mit den blonden Schlangenlocken schlägt dazu herzhaft in die Saiten und warnt, dieselben Fehler nicht immer und immer wieder aufs Neue zu wiederholen. Man kann sich auch gut vorstellen, wie er den milchbärtigen Teilnehmern einer Schülerdemo predigt: „Colourblind, when will we be colourblind?“
Jahcoustix mag für manche ein typischer Gutmensch sein, aber verkörpert er nicht perfekt den pragmatisch naiven Idealismus der Generation Attac? Klar könnte man das alles anders machen – die Musik, die Politik, den Namen. Talent und Charme aber kann man sich nicht aussuchen, und von beidem hat Dominik Haas mehr als genug.