Das große Kopfschütteln ist noch nicht vorbei – aber Mudhoney bleiben auf ihrem Kurs
Es war ein bildschöner Vormittag im April letzten Jahres. Das Wetter machte schon einen auf Sommer, das Weiße Haus blitzte wie dreimal bei 90 Grad gewaschen. Bloß Bill Clinton hatte ein bißchen trouble wegen dieser Whitewater-Geschichte.
Vielleicht hat er Eddie Vedder deswegen zu sich eingeladen. Wir wissen nicht, worüber er und Bill geredet haben. Mudhoney jedenfalls, die Band, ohne die es Grunge vielleicht nicht gäbe, hat sich derweil von einem bulligen Geheimdienstler namens Henry durch das Weiße Haus fuhren lassen. Pearl Jam hatten sie hineingeschmuggelt.
„Henry war ein guter Typ“, erinnert sich Sänger Mark Arm. „Durch ihn haben wir mehr vom Weißen Haus gesehen als Pearl Jam, die die meiste Zeit auf den Präsidenten gewartet haben.“ Er betont, daß er gar keine Lust gehabt hätte, mit Bill zu reden. Höchstens mit seiner Tochter Chelsea. Außerdem hätte er keine Lust gehabt, Millionen Platten zu verkaufen. „Auf der Straße von irgendwelchen Fans erkannt zu werden“, erklärt Mark im Beavis-and-Butthead-Slang, „das saugt.“
Bei Mudhoney hat man sich also scheinbar abgefunden mit der Zwei-Klassen-Gesellschaft, zu der Grunge geworden ist. Rein kommerziell klafft zwischen Soundgarden und Mudhoney eine Lücke wie zwischen Bayern München und Tennis Borussia Berlin. Mit enttäuschtem Unterton beschwert sich Arm über die Inflation der generation spokesmodels. „Alle paar Monate wird ein neuer Sprecher für unsere Generation ausgerufen,“ schimpft er. „Wahrscheinlich spricht Whitney Houston für mehr Leute als Eddie Vedder, Kurt Cobain und wir alle zusammen.“
Mudhoney machen weiter wie bisher. „Letztlich hatten wir gar keine Wahl“, meint Arm. „Wir wollten nie Pop-Platten machen.“ So schließt „My Brohter The Cow“ stilistisch an „Piece Of Cake“ von 1992 an: klassischer Grunge-Garagenrock, Seattle-Musik, die noch nicht durch die Butch-Vig-Waschanlage geschickt wurde. Der Unterton ist ein wenig bitterer geworden – oder, wie Mark Arm sagt, zynischer.
Denn das große Kopfschütteln ist noch nicht vorbei. „Es ist wirklich kaum zu glauben“, meint Arm, wenn er sich an Prä-„Nevermind“-Zeiten erinnert „Nirvana waren von Anfang an eine tolle Band. Manchmal sponnen wir so rum und überlegten uns, daß die eigentlich einen Top-Ten-Hit haben müßten. Als der Traum wahr wurde, merkten alle, daß es ein Alptraum war.“ Diese störrischrealistische Art, wie Mudhoney sich gegenüber dem Hype verhalten, wie sie auch musikalisch nicht vom Kurs abweichen, zeigt: Diese Band bleibt das Regulativ des Grunge.