Das Geschäft mit den Fremden im eigenen Bett
Sie machen Krach, sie kommen in Scharen und sie nehmen uns Wohnraum weg. Gegen das Geschäft mit Privatwohnungen, die über Internet-Plattformen vermietet werden, regt sich Widerstand. Denn längst hat sich aus der Share Economy eine boomende Schattenwirtschaft entwickelt. Doch was sind eigentlich für Leute, die Fremde gegen Geld in ihre Badewanne lassen?
„Ehrlich gesagt macht es total süchtig“, sagt Anna* und macht eine kurze Pause. Sie sitzt auf einer schmalen Holzbank in Berlin-Kreuzberg, die zu einer kleinen türkischen Nussrösterei gehört, ihr Smartphone einsatzbereit in der rechten Hand. Seit etwa drei Jahren vermietet die 35-Jährige ihre Mietwohnung und die ihres Freundes über das Onlineportal Airbnb. In ihrem Auto hat Anna immer einen Koffer dabei, da ist das Nötigste drin, falls mal wieder alle Zimmer vermietet sind und sie bei einer Freundin auf dem Sofa übernachten muss. „Manchmal ist dieses Leben entwurzelnd, dann aber auch total befreiend.“ Sie könnte die Wohnungen eigentlich durchgehend vermieten. So hoch ist die Nachfrage – denn mehr als elf Millionen Touristen kommen im Jahr nach Berlin. Und so gut ist Anna in ihrem Nebenjob: sie antwortet schnell auf Anfragen, achtet auf positive Bewertungen. Und sie ist vorsichtig. Mittlerweile. Denn Gäste privater Ferienwohnungen werden immer unbeliebter. Sie machen Krach, sie nehmen Wohnraum weg. Das glauben zumindest viele. Deswegen hat der Senat die Zweckentfremdung von Wohnraum seit dem 1. Mai verboten. Kulanterweise mit einem zweijährigen Moratorium. Und wie geht es jetzt weiter?
2008 wurde Airbnb in San Francisco von drei jungen Männern aufgebaut. Ihr CEO Brian Chesky, mittlerweile 32, gilt als einer der jüngsten Start-up-Multimillionäre. Denn die Idee ist so einfach wie genial: Auf der Website inserieren Menschen ihre eigene Wohnung tageweise zur Vermietung. Hübsche Fotos der Zimmer und private Details über die Gastgeber schaffen dabei eine persönliche Ebene, die Hotels schwer bieten können. Airbnb hat so nicht nur das Reisen verändert, sondern auch die Städte. Touristen müssen nicht mehr in Vierteln mit Hotelblocks wohnen, sie übernachten jetzt in den hippen Zentren, mitten unter den Menschen. „Travel like a Human“, mit diesem Slogan wirbt die Firma: Mehr als 700.000 Übernachtungsmöglichkeiten in 192 Ländern. Darunter 640 Schlösser, 1.400 Hausboote und 300 Baumhäuser. Zur Fußballweltmeisterschaft schaffte es der Konzern sogar öffentlichkeitswirksam, Ronaldinho davon zu überzeugen, seine Villa zu vermieten. Und so kann man nun im Internet die großen Porträts an den Wohnzimmerwänden des Fußballers bestaunen, auch ohne sich bei ihm einzumieten. Denn Airbnb hat auch das Private verändert.
Gastgeber öffnen ihre Wohnung nicht nur für Gäste, sondern für die ganze Welt. Anklickbar. Kürzlich veranstaltete die Firma gar eine Ausstellung anlässlich der Architekturbiennale in Venedig, um den architektonischen Einfluss der Plattform zu betonen.
Der geschätzte Jahresumsatz von Airbnb: 250 Millionen US-Dollar. Ein Traum von einem Start-up also. Revolutionäre Ideen, Mitarbeiter, die wie Prediger durch das Internet ziehen, voller Begeisterung für ihren Arbeitgeber und sein Angebot. In der Firmenzentrale fährt man angeblich Skateboard und es gibt Büros, die eins zu eins den Wohnungen nachempfunden sind, die auf dem Portal angeboten werden.
Airbnb finanziert sich über eine Gebühr, die Gastgeber tragen davon drei, die Gäste sechs bis zwölf Prozent, je nach Höhe des gesamten Betrags. Laut Airbnb buchten bereits mehr als 15 Millionen Gäste über ihre Plattform – Anfang 2013 waren es noch 4 Millionen. Die Anzahl der Mitglieder in Deutschland ist laut der Firma im Vergleich zum Vorjahr um 72 Prozent gestiegen. Deutschland ist also ein wichtiger Markt. Auch Axel Springer, in dessen Mediahouse der ROLLING STONE erscheint, ist seit zwei Jahren in geringem Umfang an dem Unternehmen beteiligt.
Doch seit in New York Privatdetektive nach Wohnungen fahnden, die über die Plattform vermietet werden und ein Staatsanwalt versucht, Kundendaten vom digitalen Sharing-Portal zu bekommen, weil der Wohnraum knapper wird und die Steuerhinterziehung zunimmt, muss die Firma sich erklären.
Julian Trautwein ist ein freundlicher junger Mann Ende 20 und Kommunikationschef von Airbnb in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er hat sein Büro in der Berliner Rosa-Luxemburg-Straße im Bezirk Mitte, wo Wohnungen besonders begehrt sind: „Wir wissen leider noch nicht genau, ob das Zweckentfremdungsgesetz eigentlich für Airbnb-Gastgeber greift oder nicht. Es zielt nicht speziell auf das Teilen von Wohnraum ab. Deshalb ist es von Fall zu Fall abhängig, ob die neue Regulierung zutrifft. Das gelegentliche Teilen von privatem Wohnraum ist darin nicht genau definiert.“ Eine Mitarbeiterin des Berliner Senats bestätigt, es sei juristisch etwas kompliziert, der Gesetzgeber müsse jeden Einzelfall prüfen, zum Beispiel Bettwäsche und Handtücher zählen, doch eine sichere Zukunft gebe es für die vermieteten Privatwohnungen nicht.
„Wir wollen nicht in einer Grauzone wirken“, sagt Julian Trautwein. Deswegen rate man den Gastgebern auch, sich vorsorglich beim jeweiligen Bezirk zu melden – doch die hätten dort meist nicht mal Zeit, diese Meldungen zu bearbeiten. Dabei vermiete der Großteil der Gastgeber nur „gelegentlich das eigene Zuhause“. Doch der kanadische Journalist Tom Slee hat 90.000 Online-Gastgeber aus 18 Städten analysiert und herausgefunden, dass 40 Prozent von ihnen mehrere Objekte anbieten. Und eine Studie im Auftrag des „San Francisco Chronicle“ zeigt, dass zwei Drittel der Angebote in der Stadt nicht einzelne Zimmer, sondern ganze Wohnungen oder Häuser sind. In San Francisco denkt man nun darüber nach, das Melden illegaler Vermietungen zu belohnen. Dabei hat Julian Trautwein recht, wenn er sagt, dass die Zweckentfremdungsverordnung „kein Gesetz gegen Airbnb ist, wie es jetzt so oft heißt. Diese Verordnung wendet sich vor allem gegen Wohnungen, die vom Vermieter nicht mehr dem Mietwohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden.“
„Share Economy steht für eine Gesellschaft, die sich nicht länger durch Besitz, sondern durch den Zugang dazu definiert“
Doch wo fängt das an? Zum Interview nach Kreuzberg kommt die Airbnb-Gastgeberin Anna mit ihrem silbernen Kleinwagen, neben uns trinken Menschen mit lustig schief aufgesetzten bunten Baseballcaps Flatwhite, ein junger dünner Mann läuft vorbei und ruft ihnen entgegen: „Was habt ihr bloß aus Kreuzberg gemacht!?“ Anna sagt: „Recht hat er ja irgendwie.“ Früher betrieb sie unter ihrem echten Namen ein Profil bei der Vermittlungsplattform, mit dem sie sechs verschiedene Angebote betreute. Einzelne Zimmer in Mitte, eine ganze Wohnung in Kreuzberg. Über 150 gute Bewertungen hatte sie von Gästen aus der ganzen Welt gesammelt, Paare aus Italien, eine Jugendgruppe aus Frankreich. Irgendwann kam die Abmahnung vom Vermieter, dem die dauernd wechselnden Gäste im Hausflur spanisch vorkamen. „Ich war unvorsichtig. Heute vermiete ich nur noch an Familien und Paare, am besten aus Deutschland, dann kann ich sagen, dass es Freunde sind. Dagegen kann ja keiner was haben.“
In den ersten ein bis zwei Jahren hat Anna fast 70.000 Euro umgesetzt. Etwa 30.000 Euro davon seien Gewinn gewesen, rechnet sie schnell durch. Versteuert hat sie die Summe nicht. Irgendwann habe sie Sorge gehabt, dass ihr Hobby auffallen könnte, da habe sie den Account gelöscht. Und mit ihm alle positiven Bewertungen, die ihren geschäftlichen Erfolg sicherten. Jetzt vermietet Anna mit mehreren Profilen und gibt weder ihren eigenen Namen noch die genaue Adresse der Wohnungen an. Ihr jetziger Verdienst: etwa 600 Euro im Monat. Anna sagt, ohne das Geld könne sie nicht überleben. Sie betreibt ein Geschäft mit teurer Ladenmiete und hat eine Firma, die einen Angestellten und einige Freelancer beschäftigt. Anna findet, die Hotellobby, die sich besonders vehement gegen Firmen wie Airbnb ausspricht, sollte attraktivere Angebote machen. Und sie glaubt, dass sie nicht wirklich etwas Illegales tut, denn verboten sei nur die gewerbliche Umnutzung von Wohnraum. Und tatsächlich: Der Berliner Senat überlässt den Bezirken die Entscheidung, wo genau eine Zweckentfremdung beginnt und ob sie Ausnahmen zulassen.
Denn die Nachfrage ist groß. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband geht von bis zu 15.000 Ferienwohnungen in Berlin aus. Drei Viertel davon seien 1-oder 2-Zimmer-Wohnungen und mehr als die Hälfte kleiner als 60 qm. Eine Studie im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat 8.918 privat angebotene Ferienwohnungen in Internetportalen ermittelt, etwa 3.000 weitere würden unter der Hand vermietet. 12.000 Inserate hat Airbnb laut eigener Aussage allein in Berlin, mehr als 29.000 in Deutschland. Dazu kommen die Angebote bei wachsenden Konkurrenzportalen wie 9flats und Wimdu.
Das Problem an der Sache: Laut Wohnungsmarktbericht der Berliner Investitionsbank kamen allein 2012 49.000 neue Einwohner nach Berlin. Um den Bedarf an Wohnraum zu decken, müssten pro Jahr 10.000 Wohnungen fertiggestellt werden. Bezugsfertig wurden allerdings gerade mal 5.400. Knappheit an Wohnraum gibt es mittlerweile nicht nur in Mitte und Prenzlauer Berg, sondern auch in den Randgebieten der Stadt.
Das ist der Grund, warum Menschen wie Reiner Wild sich über die neue Verordnung zur Zweckentfremdung von Wohnraum freuen. Er ist Vorsitzender des Berliner Mietervereins, der vor Kurzem sogar dazu aufgerufen hat, ungenutzten Wohnraum oder illegale Ferienwohnungen zu melden. „Man kann das als Anschwärzen bezeichnen, aber man kann doch von der Verwaltung nicht verlangen, dass sie von Haus zu Haus läuft und an jeder Tür mal klingelt“, sagt Wild. Doch „der Rücklauf hält sich bisher in Grenzen. Wir bekommen ein bis zwei Meldungen am Tag, das sind meist keine Ferienwohnungen, sondern Einheiten, die vom Vermieter freigehalten werden.“ Im Bezirksamt Mitte heißt es dagegen, es gäbe viele Leute, die sich über Ferienwohnungen in ihrer Nachbarschaft beschwerten. Wie viel Wohnraum durch digitale Sharing-Portale tatsächlich verloren geht, kann auch Reiner Wild nicht genau sagen, trotzdem verspricht er sich von der Verordnung „eine allmähliche Entlastung des Wohnungsmarktes“.
Dennis* wohnt zwar in Kreuzberg, doch seine Mietwohnung, an deren Klingel sein Name steht und in deren Briefkasten seine Post ankommt, befindet sich an einer großen Straße in Neukölln. Links davon gibt es günstiges Gemüse, rechts geeistes Gurkensüppchen. Begehrte Lage also, der Quadratmeterpreis liegt mittlerweile bei 11 Euro. Und auch Dennis vermietet seine Wohnung. Der 27-Jährige sitzt auf einem italienischen Designerstuhl der Marke Castelli. Hinter ihm an der Wand Bilder in Petersburger Hängung, ein Hund hat einen Hasen im Maul, ein Model sitzt im Rollstuhl und sieht gut dabei aus. Die Wand in der kleinen Küche ist dunkelblau, die Kleiderstange und die Bettwäsche weiß. Es muss schick sein, sagt Dennis, nur dann wird die Wohnung gebucht.
Klickt man sich durch die Ferienwohnungen – egal in welcher Stadt, in welchem Land und auf welchem Portal -bekommt man einen guten Eindruck davon, was derzeit allgemein als moderne Inneneinrichtung gilt. Selbst der Individualtourismus à la Airbnb führt fast unweigerlich zur Angleichung des Angebots, auch wenn immer wieder betont wird, dass dort das Persönliche im Mittelpunkt steht. Auch die Bilder der Wohnungen haben eine vergleichbare Ästhetik – weite Winkel, helles Licht – denn Airbnb leistet sich extra einen Fotografenservice, der die privaten Zimmer professionell, kostenlos und nach Firmenstandards fotografiert. „Das bietet uns gleichzeitig die Möglichkeit, das Angebot zu verifizieren“, erklärt Julian Trautwein.
„Das Seltsamste, was mir passiert ist, war ein Holländer, der gerne nackt durch die Wohnung lief. Ich fand das nicht schlimm.“
Mishelle Farer aus New York ist 33, zierlich, brünett, und das, was man in Amerika ein „tough cookie“ nennt: eine, die sich zu wehren weiß. Als im Oktober 2013 die New Yorker Staatsanwaltschaft die Herausgabe der Kundendaten von Airbnb verlangte, um zu prüfen, ob Gastgeber genügend Steuern abgeführt oder gegen eines der diversen Mietgesetze des Staates verstoßen hatten, startete sie die Online-Petition „Legalize Sharing: Save Airbnb in New York“. Über 230.000 Menschen haben unterschrieben, demnächst will Mishelle die Unterschriften beim New Yorker Senat einreichen. „Es geht mir vor allem darum, den Politikern zu zeigen, dass Airbnb ein seriöses Unternehmen ist, das vielen Menschen eine wichtige – manchmal sogar die einzige -Einnahmequelle bietet“, erläutert Mishelle ihr Engagement. Selbst vermietet sie seit 2011 über die Vermittlungsplattform. Manchmal nur ein Zimmer, manchmal, wenn sie auf Reisen ist, ihre ganze Wohnung im hippen Stadtteil Williamsburg. „Damals zog meine Mitbewohnerin aus, ich steckte mitten im Studium und stand vor der Wahl: entweder neue Mitbewohner finden, oder die Wohnung aufgeben.“ Freunde empfahlen ihr
Airbnb, dessen Plattform im Vergleich zu Mitbewerbern wie Craigslist Sicherheiten bei der Geldüberweisung und eine Art Backgroundcheck der Gäste anbietet. „Ohne diese Mieteinnahmen hätte ich mein Studium nicht finanzieren können. Und ich habe dadurch viele interessante Menschen kennengelernt, mit denen ich noch heute befreundet bin. Eine Zeitlang hatte ich sogar einen dänischen Freund, der ursprünglich Gast bei mir war. Klar, es gibt in Foren Horrorgeschichten von Porno-Partys und Crystal-Meth-Laboren in Wohnungen, aber selbst, wenn die stimmen sollten, dann waren das Einzelfälle. Das Seltsamste, was mir passiert ist, war ein Holländer, der gerne nackt durch die Wohnung lief. Aber das war nicht weiter schlimm. Es hat mir eher gezeigt, wie verklemmt wir Amerikaner manchmal doch sind.“
Den Vorwurf, Plattformen wie Airbnb seien ein Hort für „Slumlords“, die komplette Mietshäuser untervermieten oder keine Steuern zahlen und so den Staat Millionen von Dollar kosten würde, kann sie nicht nachvollziehen: „Es gibt immer schwarze Schafe, und viele dieser Anbieter wurden sofort gesperrt.“
Hat sie Angst vor der Weitergabe ihrer Daten oder vor Strafen? „Ich war zehn Jahre Reservistin bei der Armee, habe ein Jahr im Irak gedient. Mir macht so schnell nichts Angst. Millionen von Menschen nutzen Airbnb oder Uber und all die anderen Sharing-Alternativen. Da ist etwas entstanden, das sich nicht mehr ignorieren oder zurückdrehen lässt.“
Die sogenannte Share Economy ist ein wachsender Wirtschaftszweig der gerade große Aufmerksamkeit erfährt, weil er in Zeiten der Krise eine Antwort hat – und das Wirtschaftssystem verändern kann. Die neuen Vermittlungsplattformen sind Vorreiter und Multiplikatoren dieser Entwicklung, die man euphemistisch Tauschökonomie nennen oder einfach als Ökonomisierung des Privaten begreifen kann. Über Airbnb laden wir uns in fremde Schlafzimmer ein, bei Uber können wir uns private Fahrer und ihre Autos mieten und über parkatmyhouse. com finden wir freie Privatparkplätze. Diese Firmen haben es geschafft, zwischenmenschliche Teilkultur zu monetarisieren. Wobei „Teilen“ mitunter irreführend ist, denn es wird eine Leistung für Geld eingetauscht, also verkauft. Airbnb erklärt das Phänomen so: „Die Share Economy ist eine Bewegung, die das Teilen von persönlichen Gegenständen mit anderen Menschen über das Internet bezeichnet. Ziel ist eine nachhaltigere Nutzung bestehender Ressourcen und die Wandlung zu einer Gesellschaft, die sich nicht länger durch Besitz, sondern vielmehr durch Zugang definiert. Dabei unterstützen wir weltweit Mikrounternehmer, die durch das Teilen ihres Wohnraums in der Lage sind, ihre Rechnungen zu bezahlen und in ihren Wohnungen zu bleiben.“
Klingt gut, schaut man jedoch genauer hin, ist der besagte Zugang nicht nur beschränkt, sondern mit der Share Economy werden zuweilen auch Gesetze und Regeln zum Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz umgangen, und Branchen wie die der Taxifahrer und Hotellerie infrage gestellt, weil sie zu den Mikrounternehmern ohne Ausbildung und hohe Nebenkosten kaum konkurrenzfähig sind. Wer in der Share Economy sein Geld verdient, ist häufig prekär und ohne soziale Absicherung. Oft hat er bereits einen Job, der allerdings die Lebenshaltungskosten nicht deckt, doch wer eine Wohnung hat, in der er ein Zimmer freiräumen kann oder ein Auto, mit dem sich andere transportieren lassen, wird sich auch in Zukunft über Wasser halten. Die Share Economy verbessert nicht die Verhältnisse, sie ermöglicht Menschen nur, besser darin klarzukommen.
„Millionen nutzen Sharing-Alternativen wie Airbnb und Uber. Da ist etwas entstanden, das sich nicht mehr ignorieren lässt.“
Beispiel Dennis: Das erste Mal hat er seine Wohnung vermietet, als er für fünf Wochen nach Thailand reiste. Mit dem Geld konnte Dennis den Flug bezahlen. Als er zurück kam, war die Decke im Bad voller schwarzen Schimmels. Die Mieterin, mit der er über E-Mail fast täglich im Kontakt stand, hatte ihm nicht gesagt, dass der Nachbar im Geschoss darüber einen Wasserschaden hatte. Damit stand der Student nun alleine da. Denn zwar bietet die Vermittlungsplattform eine Gastgebergarantie an und übernimmt die Kosten, wenn tatsächlich mal ein größerer Schaden entsteht (bei Airbnb zum Beispiel bis zu 70.000 Euro), doch Dennis hätte die Mieterin erst anzeigen müssen – doch dann hätte auch sein Vermieter davon erfahren, dass er seine Wohnung weitervermietet. Das sind die ganz handfesten Probleme der stetig wachsenden urbanen Tauschgesellschaft. Dennis verdient zwischen 200 und 400 Euro im Monat mit den Vermietungen. So hat er sich sein Studium finanziert. Eigentlich, so erzählt er, mache er das nur, weil er mittlerweile bei seinem Freund lebe und die Wohnung nicht aufgeben wolle, falls die Beziehung mal in die Brüche ginge. Die Sommermonate laufen sehr gut. Dennis putzt selber. Räumt auf. Aber er mag das. Er hat auch kein Problem damit, Schamhaare aus der Dusche zu fischen, sagt er und stellt seine Kaffeetasse auf einen Untersetzer auf dem Glastisch. Er hat durch die Vermietungen viele nette Leute kennengelernt, auch wenn ihm manchmal Handtücher und Bettwäsche fehlen. Andere lassen dafür Essen und Wein zurück. Dennis benutzt für seine Reisen auch immer wieder Airbnb. „Das ist total toll. Wir waren zum Beispiel mal bei einem Hippiepaar im tiefsten Spanien, die hätten wir sonst nie kennengelernt.“ Dann erzählt er von Freunden, die aus ihren Wohnungen geklagt werden, von Freunden, die bei ihren Freunden auf der Couch schlafen, wenn die Wohnung mal wieder vermietet ist und von dem Risiko, erwischt zu werden, das er immer im Hinterkopf hat. „Das kann man nur machen, wenn man in einem großen anonymen Haus wie diesem hier lebt. Von meinen Nachbarn vermieten mittlerweile einige ihre Wohnung.“
Airbnb versucht inzwischen sein Angebot zu erweitern und zusätzlich den Service eines Touristikunternehmens zu bieten. „Im Headquarter in San Francisco wird schon einiges getestet“, erzählt Julian Trautwein. „Wir stellen uns unter anderem die Frage, wie man dem Gast die Anund Abreise, den Einkauf oder den Aufenthalt am Urlaubsort noch angenehmer gestalten kann.“
Anna sagt, wenn man sich eine Wohnung in Berlin kaufen würde und sie permanent an Touristen vermiete, könnte man den Kauf in wenigen Jahren refinanzieren. Aber das sei auch eine Menge Arbeit. „Ich beziehe ständig Betten und schreibe etwa eine Stunde am Tag E-Mails an Interessenten und Gäste.“ Auf ihrem Online-Profil steht, wie schnell sie auf Anfragen reagiert, und wer zu lange braucht, wird angemahnt. Wer zuerst antwortet, vermietet seine Wohnung. Ein gutes Geschäft bei Preisen um 120 Euro die Nacht. Anna hat noch einen Mietvertrag für eine Wohnung, in der gerade Freunde von ihr leben, aber die ziehen im Herbst aus und Anna überlegt, diese Wohnung auch bei Airbnb anzubieten. Doch vorher will sie die Vermietung an Touristen beim Bezirk anmelden. Fremde im eigenen Bett sind nämlich nicht mehr nur ein einfaches Geschäft.